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Drei Damen zu Tisch

Familienbusiness Energische Regisseurin und fürsorgliche Mutter: Katharina Thalbach inszeniert mit Tochter und Enkelin „Die Glasmenagerie“ – Tennessee Williams’Bühnenklassiker über die Flucht vor der Tristesse

von Katharina Granzin

Der Ku’damm also. In dieser urwestberlinischen Gegend, wo man immer so ein bisschen das Gefühl hat, die Zeit sei vor ein paar Jahrzehnten stehen geblieben, liegt die Komödie am Kurfürstendamm. Gleich daneben das verschwisterte Theater am Kurfürstendamm – dazwischen ein Restaurant. Hier hat die Theaterleitung die Presse zu Tisch geladen, um vor der nächsten Premiere etwas Vorabglamour zu verbreiten. Wenn Katharina Thalbach am Haus inszeniert, kann man das an sich schon einmal als Nachricht verkaufen.

Umso mehr gilt das, wenn zugleich noch Tochter Anna und Enkelin Nellie Thalbach auf der Bühne stehen. Am 6. März hat in der Komödie unter massiver Thalbach-Beteiligung „Die Glasmenagerie“ Premiere, jenes Stück, mit dem Tennessee Williams anno 1944 seinen Durchbruch als Dramatiker erlebte. Es ist ein Vierpersonendrama mit zwei Frauen- und zwei Männerrollen. Auch die beiden jungen Schauspieler Leonard Scheicher und Florian Donath, die im Stück Tom und Jim heißen, sind mit im Restaurant. Aber niemand fragt sie etwas. Dafür sitzen sie im Übrigen auch zu weit weg. Man hat uns hergeholt, um mit den Damen zu sprechen, das ist allen völlig klar.

Das Team kommt gerade von der ersten Durchlaufprobe. Natürlich mag niemand wirklich darüber sprechen, wie die gelaufen ist. Wie anstrengend es wohl sein muss, in der allerletzten Probenphase auch noch so ein vielköpfiges Pressegespräch zu absolvieren, können wir nur erahnen. Anmerken lässt sich die Zumutung nämlich niemand, dafür sind alle viel zu sehr Profis.

Freundlich, sehr präsent und auskunftsbereit geben sich die drei Generationen Thalbach. Auch die zwanzigjährige Nellie, die vor zwei Jahren bereits in „Roter Hahn im Biberpelz“ mit Mutter und Großmutter zusammen am Ku’damm auf der Bühne stand, macht den Eindruck, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Ob sie sich denn schon endgültig als Schauspielerin sehe, wird sie gefragt, und sagt, na ja, gerade jetzt sei sie auf jeden Fall Schauspielerin, obwohl sie das eigentlich nie habe werden wollen und sich auch für viele andere Dinge interessiere. Was sie sich denn sonst hätte vorstellen können, hakt der Kollege nach. „Ach ... Krankenschwester, Astronautin oder vielleicht BVG.“ Gelächter. Alle versuchen, sich Nellie als Straßenbahnfahrerin vorzustellen.

Das ist schwierig; sie ist zu jung dafür. Wahrscheinlich ist sie auf der Bühne für den Moment doch besser aufgehoben. In der „Glasmenagerie“ spielt sie Laura, eine junge Frau, die wegen einer leichten körperlichen Behinderung menschenscheu und zurückgezogen lebt und eine große Sammlung zerbrechlicher Glastierchen pflegt. Ihre Mutter Anna gibt Lauras Mutter Amanda, eine in die Jahre kommende Südstaatenschönheit, die nunmehr als Alleinerziehende mit zwei erwachsenen Kindern in einer beengten Großstadtwohnung haust und sich vor der Tristesse der Gegenwart in die Verklärung der Vergangenheit flüchtet.

Die leicht hysterischen Züge, die Amanda eigen sind, schlagen sich in einem praktisch ununterbrochenen Redefluss und somit jeder Menge Text nieder. „Von sechzig Seiten Text hab ich ungefähr vierzig“, sagt Anna Thalbach trocken. Das relativiert in gewisser Weise auch Nellies vorangegangene Aussage, sie selbst komme immer perfekt vorbereitet zu den Proben, während ihre Mutter den Text eher während des Probens lerne. („Man ist da eben total verschieden.“)

Anna erzählt, dass sie jetzt etwa eineinhalb Jahre pausenlos gearbeitet habe. „Und in der nächsten Zeit gibt’s eh kaum Schlaf.“ Die Anspannung vor der Premiere, klar, und da die Komödie am Ku’damm kein Repertoiretheater ist, sondern en suite spielt, haben die Darsteller auch danach kaum eine Pause. Man spielt sechs Wochen lang sechs Tage die Woche. „Und tagsüber nehmen viele ja auch noch andere Jobs an“, erklärt Anna. Sie selbst spreche zum Beispiel oft Hörbücher ein.

Und da sie jetzt schon ganz blass und müde aussieht, greift irgendwann auch Katharina Thalbach, energische Regis­seurin und fürsorgliche Mutter in Personalunion, ins Gespräch ein und erklärt, Anna müsse jetzt mal gehen und sich ausruhen.

Dass die „Glasmenagerie“ in einem Theater aufgeführt wird, das sich selbst „Komödie“ nennt, ist im Übrigen kein versteckter Hinweis auf ein Regiekonzept. „Ich mag den Begriff Konzept eigentlich nicht besonders“, sagt Katharina Thalbach. Aber nein, selbstverständlich sei Williams’Drama alles andere als eine Komödie, und sie nehme es sehr ernst und begreife es in seiner psychologischen Problematik als zeitlos. Andererseits sei es ihr ein Anliegen gewesen, das Stück atmosphärisch und optisch ganz im Geist seiner Entstehungszeit zu belassen.

Und warum eigentlich Tennessee Williams? „Ach, als ich jung war, hätte ich unheimlich gern mal die Laura gespielt!“ Leider ist es nie dazu gekommen. Aber die Rolle bleibt ja in der Familie.

Premiere am 6. 3., 18 Uhr, Komödie am Kurfürstendamm

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