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„Egsbar hen Super Fun“

Hä? Dialoge in einer selbst entwickelten "Fremdsprache": Das Kollektiv Talking Straight mit neuem Stück heute im Gorki-Theater

Einander verständlich machen, das ist kaum vorstellbar ohne Sprache. Doch wie wichtig ist es dabei, die Sprache selbst zu verstehen? In Unterhaltungen zwischen Menschen ohne gemeinsame Sprache reichen manchmal ein paar Worte, bei denen beide GesprächspartnerInnen eine Ahnung haben, was sie bedeuten könnten. Den Rest schafft man mit Zeigen, Lächeln, Tonfall, mit Nachfragen und Wiederholungen und kann sich so ganz gut über einfache Dinge verständigen.

Darauf verlässt sich auch das Berliner Theaterkollektiv Talking Straight in seinen Produktionen. Seit 2010 arbeiten sie fest als Gruppe zusammen, 2014 kamen sie zum Studio R am Gorki-Theater. Ihre Stücke führen die zehn PerformerInnen in „Fremdsprache“ auf – einer Sprache, die sie selbst entwickelt haben und die sich anhört wie eine Mischung aus irgendetwas Skandinavischem mit etwas Romanischem, teilweise auch Osteuropäischem. „Trusauth hen eùrops Langhe“, sagt Kollektivmitglied Antje Putz, nach einer europäischen Sprache solle es klingen.

Verstehen tut man die verfremdete Sprache bei ihren Performances trotzdem schnell. Vor allem deshalb, weil sie ihre Settings sehr klar umreißen. Egsbar hen Simulazion der’n Vedhssituatzions fohm“, erklärt Putz, sie versuchten also, Teile aus ihren Lebenssituationen zu simulieren, zur Selbstexotisierung: „Hen Self-Exotisniege.“ Geschrieben ist ihre Kunstsprache noch recht unverständlich, in gesprochener Form und im deutlich definierten Zusammenhang auf der Bühne ist sie leichter zugänglich. Die Simulationen sind für die ZuschauerInnen meist leicht zu erkennen – eine politische Rede, ein Motivationstraining, ein Bewerbungsgespräch. Das Kollektiv verlässt sich auf den Tonfall, die Gestik und die Situation, in der gesprochen wird. Der Wortlaut der Texte wird nebensächlich.

In der aktuellen Produktion, „Talking Straight Entertainment“, soll es um die Frage gehen, was heute ein gutes, erfolgreiches Leben ist, sagt Putz: „Volsed nuhe Show grav’d sievhen Eskalazion der’n mega Self-Improvement“, das neue Stück drehe sich sozusagen um die permanente Selbstoptimierung, der wir uns in vielen Lebensbereichen inzwischen unterwerfen. Dass wir ständig versuchten, in jedem Lebensbereich eine gute Performance abzuliefern, sei ja eigentlich schon ein Allgemeinplatz, fügt sie hinzu.

Solche Sätze sind tatsächlich schon ziemlich oft gesagt und geschrieben worden. Wenn man sie abends am Küchentisch oder in der Kneipe äußert, löst man damit keine Kontroverse aus. Alle sind mit drin und machen mit. Sprache kann hier auch zu einem Hindernis werden, um zu verstehen, was eigentlich los ist. Etwas nicht richtig zu verstehen kann helfen, die Regeln, denen wir uns im Alltagsleben unterwerfen, etwas klarer zu sehen. Mit ihrer Fremdsprache richten die PerformerInnen damit den Blick von außen auf sich selbst.

Denn nicht der Sinn der Wörter sei interessant, sondern der Sinn der Situation, sagt Putz. Die Gruppe möchte sich nicht rausziehen und den ZuschauerInnen irgendetwas erklären: „Egsbar niegenst Diffrenz vorghet nar Bühni oms Vedha“, es gäbe dabei keinen Unterschied zwischen Leben und Bühne, sagt sie. Alle verstünden gleich wenig, alle träfen sich sozusagen im Moment des Gleich-wenig-Verstehens. Und das mal zuzugeben und einen Abend damit zu verbringen, sich darüber zu wundern, was wir inzwischen alles als normal akzeptieren, das ist bei Talking Straight trotz ihrer Kritik am bloßen Entertainment sehr unterhaltsam. „Egsbar hen Super Fun“, also ein großer Spaß, wie sie selbst sagen würden. Velkom. Uta Schleiermacher

25., 26. + 27. Februar, 20.30 Uhr, Studio R im Gorki-Theater

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