Johanna Roth über das Asylpaket II: Effizient, aber deprimierend
Abschreckung statt Willkommenskultur: Wer aus einem sicheren Herkunftsland kommt, für den wird es hier bald noch ungemütlicher als bisher. Dies ist das Kernanliegen des „Asylpakets II“, das der Bundestag heute beschließen soll. Schöner wäre, er täte es nicht.
Das neue Gesetz institutionalisiert die Zweiklassengesellschaft, die unter Geflüchteten ohnehin schon herrscht: Wer geringe Bleibechancen hat, wird von vornherein aussortiert, bekommt strenge Auflagen zu seinem Aufenthaltsort während des laufenden Asylverfahrens. Bei Verstößen drohen Sanktionen. Schließlich wird der Antrag, so geschieht es auch jetzt schon in den allermeisten Fällen, im Schnellverfahren abgelehnt.
Andererseits muss man sich leider auch fragen: Ist eine Asylrechtsverschärfung, die effiziente Abläufe im Sinn hat, am Ende nicht humaner als eine Obergrenze? Das kleinere Übel gegenüber einem Szenario, in dem Merkel sich dem Druck der anderen europäischen Nachbarn beugt – oder anderen aus ihrer eigenen Partei, die im Wahlkampf jetzt wieder von dringend benötigten Kontingenten tönen? Merkel hat Erfolge bei den Landtagswahlen dringend nötig, aber da macht sie nicht mit, obwohl es einfach wäre. Das muss man ihr zugutehalten.
Dennoch: Flüchtlinge per Gesetz in Asylbewerber erster und zweiter Klasse zu sortieren, ist ungerecht. Und deprimierend. Denn es verdeutlicht, dass es auch hierzulande nicht länger um Humanität geht, sondern darum, die Menschen abzuschrecken.
Das zeigt sich vor allem an einem Aspekt des Pakets: Selbst wer vorerst bleiben darf, also sogenannten subsidiären Schutz genießt, dessen Familie soll erst nach zwei Jahren nachkommen dürfen. Wie kann man von jemandem, der aus einem Land wie Syrien geflüchtet ist, erwarten, dass er hier 24 Monate lang ruhig sitzt, während er seine Angehörigen in Lebensgefahr weiß? Ein solches Recht setzt keine richtigen Prioritäten, sondern es ignoriert sie.
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