: Wirbel um das schäbige Häuschen
Messe Bei der Art Rotterdam zeigten hundert Galerien Kunst ohne anstrengenden Markthype
Kunstmessen allerorten, die Termine eng getaktet, passend dazu Remmidemmi und schockierende Preise. Die Art Rotterdam will da nicht mittun. Die etwa hundert Galerien, die sich vom 11. bis 14. Februar in der einstigen Van-Nelle-Fabrik, einem Industriedenkmal der späten zwanziger Jahre, versammelten, haben weder das Potenzial noch sonderlich Lust, sich im Raubtierfreilauf mit angeschlossenem Investitionsturbo blutige Nasen zu holen. Nun, vielleicht mit Ausnahme von Grimm, Amsterdam, die ausgesprochen ambitioniert vor allem Werke amerikanischer Künstler mit ausgewiesener Marktperformance (wie Matthew Day Jackson und Dustin Yellin) vorstellen.
Die vor 16 Jahren mit fast ausschließlich niederländischen Ausstellern gegründete Messe ist mittlerweile international aufgestellt. Unter den Newcomern in diesem Jahr war die bulgarische Galerie Sariev, die ihr Debüt mit einer Solo-Präsentation des in Berlin lebenden Künstlers Vikenti Komitski gab. Die Maxime, ein junges, neugieriges Publikum anzuziehen, hat sich ebenso bewährt wie eine Preispolitik der Betreiber, die es den Teilnehmern ermöglicht, Arbeiten im unteren vierstelligen Bereich an die Kojenwände zu hängen.
Das behagt auch Berliner Galerien: Etwa Kromus + Zink, die unter anderem mit den konzeptuellen Fototriptychen aus der Serie „Nude Animal Cigar“ (4.600 Euro) von Paul Kooiker angereist ist. Oder Wagner + Partner, die mit der Video-Serie von Sophia Pompéry (je 3.800 Euro) erfolgreich waren; sie hat in Istanbul Kemal Atatürks Allgegenwärtigkeit dokumentiert – überlebensgroß sein Abbild auch auf den Baugerüstplanen, wo sanfter Wind die Mimik des Staatsgründers geheimnisvoll belebt.
Jochen Hempel (Berlin und Leipzig) reagierte auf die Esko- Männikkö-Ausstellung im Amsterdamer Fotomuseum Huis Marseille, mit der der finnische Fotokünstler derzeit erstmals umfangreich in den Niederlanden vorgestellt wird: fotografische Sonette auf die Vergänglichkeit.
Irritierend, aber nicht zu haben, war das schäbige Holzhäuschen, das extra zur Messe vor den Hallen aufgebaut war. Das ehemalige Heim eines blinden Fahrradmechanikers in Detroit sollte, wie so viele verlassene und heruntergekommene Häuser in der bankrotten Stadt, abgebrochen werden.
Der amerikanische, in Berlin lebende Künstler Ryan Mendoza hat es kurzerhand zum Gesamtkunstwerk erklärt, das den Niedergang einer Stadt repräsentiert. Über die Livingstone Gallery in Den Haag fand es nun einen Platz auf dem Gelände der Verbeke Foundation in Flandern. Die wiederum hat es für ein paar Tage ausgeliehen. Scheint ziemlich viel Wind um die Ohren zu kriegen, das Häuschen, seit es zum Leerstand, dann zum Verschwinden verdammt war. Inwieweit es, wie gewünscht, in Europa als Mahnmal für soziale Ungerechtigkeit taugt, sei dahingestellt.
Annegret Erhard
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