: In jeder Hinsicht unmöglich
FILM-FRÜHLING Dem ästhetischen Aufbruch im deutschen Kino der frühen 1960er Jahre widmet sich eine neue Reihe im Zeughauskino
VON BERT REBHANDL
Will Tremper ist „in jeder Hinsicht unmöglich“, schrieb der Kritiker Uwe Nettelbeck im Jahr 1966 anlässlich des Films „Playgirl“. Er beschrieb mit dieser Formulierung eine ästhetische Position im deutschen Kino, die zwischen einem Interesse an kommerziellen Formen und dem strengen Bildungsideal der Oberhausener Reformisten originäre Lösungen suchte. Tremper wurde damals sofort der leichten Muse zugeordnet, denn er arbeitete in Metiers, die mit der Hochkultur nicht viel zu schaffen haben.
So schrieb er etwa einen „Illustrierten-Roman“, aus dem 1959 der Film „Menschen im Netz“ wurde, auf Grundlage eines Drehbuchs von Herbert Reinecker. Es ist eine ziemliche Kolportage-Story: Klaus Martens sitzt in der DDR unschuldig im Gefängnis, seine Frau Gitta lebt in der Bundesrepublik, sie wird vom kommunistischen Geheimdienst angeheuert, nur so kann sie dem Mann die Freiheit verschaffen. Gitta stirbt, Klaus gerät in Lebensgefahr. Im Zeughauskino läuft „Menschen im Netz“ an diesem Freitag in einer Reihe mit dem Titel „Kalter Krieg und Film-Frühling“, die auf einer Veranstaltung von CineGraph Hamburg und Bundesarchiv-Filmarchiv aus dem vergangenen Herbst beruht. Als „Internationales Festival des deutschen Film-Erbes“ tourt das Programm bis nach Italien, nun macht es in Berlin Station.
Das deutsche Kino der frühen 1960er Jahre stand natürlich unter dem Eindruck des wesentlichen historischen Faktums dieser Zeit. 1961 wurde in Berlin die Mauer errichtet, die bis zu diesem Zeitpunkt noch durchlässige Grenze wurde geschlossen, Deutschland wurde endgültig zu einem Epizentrum des Kalten Kriegs. „Menschen im Netz“ stellt einen Versuch dar, die große Geschichte mit dem Leben der einfachen Menschen zu vermitteln. Das „Netz“ der internationalen Institutionen verweist auf die staatliche Kriminalität der Geheimdienste, denen sich auch unbescholtene Bürger nicht entziehen können.
Will Tremper hatte mit dem Film schließlich nicht viel zu tun, längst hatte er zu diesem Zeitpunkt mit „Flucht nach Berlin“ selbst etwas zum Thema beigesteuert. Das Zeughaus zeigt allerdings erst den nächsten Tremper-Film, „Die endlose Nacht“ aus dem Jahr 1963, in dem Reisende auf dem Flughafen Tempelhof wegen Nebels festsitzen. Diese Zufallsmenge an Schicksalen durchquert Tremper in seinem für die damalige Zeit ungewöhnlichen Ensemblefilm. „Die endlose Nacht“ lässt sich auch auf das zweite wesentliche Datum beziehen, das für die Schau „Kalter Krieg und Film-Frühling“ relevant ist. 1962 veröffentlichte eine Gruppe innovativ denkender Filmschaffender das „Oberhausener Manifest“, an dem fortan fast alles gemessen wurde, was der deutsche Film hervorbrachte, auch Trempers Nonkonformismus.
Im Zeughaus kann man nun sehen, wie vielfältig die Innovationslandschaft des Kinos damals war – nicht nur im Westdeutschland, sondern auch in der DDR, wo Regisseure wie Ralf Kirsten („Beschreibung eines Sommers“), Joachim Hasler („Chronik eines Mordes“) oder Egon Günther („Lots Weib“) eigene Wege zu gehen versuchten. Dazu kommt natürlich Konrad Wolfs „Der geteilte Himmel“, nach dem Roman von Christa Wolf, ein unübertroffenes Dokument für die Sensibilität einer Jugend, die der Ideologie des Patriarchats zu entkommen sucht. Ein Blick über die Grenze in die Tschechoslowakei, wo sich in diesen Jahren der Prager Frühling schon künstlerisch vorbereitete, trägt wesentlich zur Differenzierung des Befundes von „Kalter Krieg und Film-Frühling“ bei. Man muss sich nur den Episodenfilm „Perlen auf dem Meeresgrund“ ansehen, hinter dem als erzählerische Instanz der große Bohumil Hrabal steht, um geradezu körperlich zu verspüren, wie sehr damals Geschichte unter die Haut ging. Das beste Kino war das, das dieses Zittern registrierte und sich damit häufig „in jeder Hinsicht unmöglich“ machte.
■ Kalter Krieg und Film-Frühling, bis 30. 1. im Zeughauskino, Programm unter: www.dhm.de/kino/