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Archiv-Artikel

Gericht rügt Arbeit der „Spätzle-Stasi“

Mehr als zehn Jahre nach dem umstrittenen Einsatz eines V-Manns in der autonomen Szene in Freiburg geben Verwaltungsrichter dem Ausgehorchten Recht: Die Schnüffelei im Auftrag des Landeskriminalamts war unzulässig

BERLIN taz ■ Der Einsatz eines verdeckten Ermittlers des Landeskriminalamtes (LKA) in Baden-Württemberg in den Jahren 1991 bis 1992 in Freiburg war rechtswidrig. Dies entschied jüngst das Freiburger Verwaltungsgericht. Da das LKA auf weitere Rechtsmittel verzichtete, ist das Urteil jetzt rechtskräftig.

Geklagt hatte ein heute 32-jähriger Mann, der sich im Herbst 1991 in Freiburg an der Gründung einer Initiative zur humanitären Unterstützung politischer Gefangener beteiligt hatte. Schon im Januar 1992 löste sich die Gruppe wieder auf. An ihren Treffen hatte auch ein angeblicher Zivildienstleistender teilgenommen, der sich Hans-Joachim Carlsen nannte. Tatsächlich war „Carlsen“ ein verdeckter Ermittler der LKA-Staatsschutzabteilung, der das „militante autonome Spektrum“ in Freiburg „aufhellen“ sollte.

Hierzu freundete er sich unter anderem mit dem Kläger S. an – und hielt auch nach dem Zerfall der Gruppe noch den Kontakt zu ihm. Im April 1992 plante Carlsen mit S. sogar einen Zelturlaub. Danach verschwand er.

Weil in der linken Szene längst der Verdacht bestand, Carlsen könne ein Spitzel sein, verlangte S. im Oktober 1992 vom LKA Auskunft, ob er ausgeforscht worden sei. Laut Landespolizeigesetz müssen Betroffene über einen solchen Einsatz informiert werden, sobald dies ohne Gefahr für den Beamten möglich ist.

Auf eine solche Gefahr berief sich das LKA. Daraufhin zog S. mit einer Auskunftsklage vor Gericht. Im Dezember 2003 gab das Verwaltungsgericht in Mannheim S. Recht. Nun bestätigten die Staatsschützer zwar den Einsatz, beteuerten aber dessen Rechtmäßigkeit. Der Umfang, der dabei über S. ermittelten persönlichen Daten sei allerdings „nicht mehr nachvollziehbar“, da diese „zwischenzeitlich gelöscht wurden“. Dies aber hätte wegen des laufenden Gerichtsverfahrens gar nicht passieren dürfen. Für S. und seinen Freiburger Anwalt Udo Kauß war der Streit mit der „Spätzle-Stasi“ denn auch nicht zu Ende.

Der Ausgang des jetzigen, von der Humanistischen Union unterstützten Verfahrens gibt ihnen Recht. Schon der Einsatz des Ermittlers sei rechtswidrig gewesen, da ihm keine „ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag“, heißt es in dem Gerichtsurteil.

Personen, gegen die sich der Einsatz eines verdeckten Ermittlers richte, müssten zuvor „namentlich bezeichnet werden“. Auch sei „laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen“, das aber sei nicht ausreichend geschehen. Es gehe nicht an, so der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung, einen Ermittler nach dem Motto in den Einsatz zu schicken: „Erhell mal das linke Spektrum, und alles andere bleibt offen.“ Selbst der Prozessvertreter des Landeskriminalamtes musste daraufhin kleinlaut einräumen: „Aus heutiger Sicht war das rechtswidrig.“ OTTO DIEDERICHS