Russland Wie geht es Jana Tarassowa?

Jana Tarassowa, 36, lebt in Moskau. Sie ist Betriebswirtin und Abteilungsleiterin in einem Staatskonzern:

„Alles ist teurer geworden. Vor allem Lebensmittel kosten fast doppelt so viel. Auch russische Waren steigen im Preis, die gar nicht vom Rubelkurs abhängig sind. Kleider waren ohnehin schon immer teurer. Am meisten betrübt mich, dass das Reisen durch den halbierten Rubelkurs so kostspielig geworden ist. Früher sind mein Mann und ich meistens in die USA geflogen. Jetzt bleiben wir in Europa und versuchen, bei Freunden und Bekannten abzusteigen.

Mein Mann hat mit Ersatzteilen für Nutzfahrzeuge gehandelt. Die Preise änderten sich jeden Tag. Er hat das Geschäft geschlossen, weil kleine Unternehmen unter diesen Bedingungen keine Chance mehr haben. Nur Staatsbetriebe können noch überleben. Jetzt macht er eine Ausbildung zum Koch und lernt sogar Englisch, um sich im Ausland bewerben zu können.

Manchmal gehen wir auch noch ins Restaurant, aber seltener als früher. Ich kann es mir noch erlauben, aber wir schauen jetzt genau auf die Preise.

Die Arbeitslosigkeit hat zugenommen. Sogar bei Aeroflot wurden mindestens 10 Prozent der Arbeitsplätze gestrichen. Ich beobachte in meinem Freundeskreis, wie sie auf einmal billige Waren kaufen. Alle überflüssigen Kosten werden vermieden. Das ist sehr auffällig. Als der Rubel Ende 2014 zum ersten Mal abstürzte, haben die meisten den Verfall noch genutzt, um neue Technik zu kaufen, einen zweiten Fernseher oder was auch immer. Auch das ist vorbei.

Ich hoffe, dass das Öl bald wieder 60 oder wenigstens 50 Dollar kostet. Aber das löst unser Problem auch nicht. Wir bauen zwar eigene Flugzeuge, die Bauteile stammen aber aus dem Ausland. Wir müssen die eigene Produktion ankurbeln. Ernsthaft beschäftigt sich damit bei uns niemand. Wo sind unsere Alternativen? Der Staat will kein Geld für die Entwicklung ausgeben und das wenige Geld, das fließt, wird auch noch gestohlen.

Am Anfang hat mich die wirtschaftliche Krise depressiv gemacht. Inzwischen habe ich mich angepasst und mich damit abgefunden. Wenn etwas übrig bleibt, lege ich etwas auf die Seite. Es gibt keinen Grund zu verzweifeln: Wenn es schlimmer wird, gehen wir ins Ausland und arbeiten dort. Ich habe aber Angst, dass die Grenze zugemacht wird, das wäre dann das Ende – so etwas wie Kriegszustand.“

ProtokollKlaus-Helge Donath