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Ende eines Alptraums

GESCHICHTE Vor 20 Jahren brach der größte deutsche Werftenverbund, der Vulkan, endgültig zusammen

"Wer nur wagte, das Vulkansystem zu kritisieren, galt als Landesverräter", sagt Rudolf Hickel

Wütende Arbeiter demonstrieren, später folgen langwierige Prozesse und Untersuchungsausschüsse: Eine der größten deutschen Wirtschaftspleiten nimmt ihren Lauf, als die Bremer Vulkan Verbund AG am 21. 2. 1996 Vergleich anmelden muss. Nach kurzem Aufstieg zum größten deutschen Werftenverbund bricht vor 20 Jahren ein Konzern mit etwa 23.000 Beschäftigten zusammen.

Schnell gerät das Management in die Kritik: „Nieten in Nadelstreifen“ aus den Vorstands­etagen sollen das Desaster verschuldet haben. Doch auch unterschiedliche Interessen in Politik, Wirtschaft und bei den Banken mischen mit.

„Der Absturz des Vulkan war ein Lehrstück für das komplette Versagen eines viel zu schnell gewachsenes Unternehmen“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel von der Uni Bremen. Interne und externe Kontrollen hätten versagt.

Bereits 1983 erlebt Bremen mit dem Niedergang der Traditionswerft AG Weser einen industriepolitischen Alptraum. Als Konsequenz will der Senat nun die 1893 gegründete Bremer Vulkan AG als letzte Großwerft um jeden Preis retten. Dafür riskiert Bremen Millionen an Steuern.

Mit SPD-Wirtschaftsstaatsrat Friedrich Hennemann steigt ein senatstreuer Beamter an die Konzernspitze auf. Er will den Vulkan zum globalen Technologiekonzern machen: „Wir stehen vor einem ozeanischen Jahrhundert“, orakelt er. Werften in Bremer- und Wilhelmshaven, eine Maschinenfabrik in Mönchengladbach oder die Marine-Elektronikfirma Krupp Atlas stehen auf der Einkaufsliste. 1992 folgt ein umstrittener Coup: Der Vulkan übernimmt fast die gesamte ostdeutsche Werftindustrie.

Politiker in Bremen, Bonn und Brüssel, Bankenchefs, Gewerkschafter, Betriebsräte und Journalisten vertrauen der Vulkan-Spitze. „Wer nur wagte, das Vulkansystem zu kritisieren, galt als Landesverräter“, erinnert sich Hickel. Doch mit der Übernahme der Ostwerften habe sich der Konzern übernommen: „In Südostasien waren längst Überkapazitäten vor allem im Containerschiffbau entstanden. Dafür gab es in Deutschland keine Chancen mehr, die Zukunft lag in der Spezialisierung“, analysiert Hickel.

1995 beginnt der Anfang vom Ende: Nach Liquiditätsproblemen tritt Hennemann auf Druck der Banken zurück, am 21. Februar 1996 folgt der Vergleichsantrag, am 1. Mai der Anschlusskonkurs. Danach beginnt das große Aufräumen. Untersuchungsausschüsse in Bonn, Bremen und Schwerin stellen später fest: Subventionsmentalität, ein unüberschaubares Geflecht von Beteiligungen und mangelhafte Kontrolle hätten zum absehbaren Crash geführt, das Unternehmen sei von Beginn an „substanzkrank“ gewesen. „Es war ein Sterben auf Raten“, sagt ein früheres Vorstandsmitglied als Zeuge.

Die Treuhandnachfolgerin stellt Strafanzeige gegen den früheren Vulkan-Vorstand wegen zweckwidriger Verwendung von rund 220 Millionen Euro. „Das Geld ist weg“, konstatiert Konkursverwalter Jobst Wellensiek lakonisch.

Der Prozess gegen Ex-Vorstandsmitglieder wegen Untreue endet für Hennemann mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe. Nach der Revision kassiert der Bundesgerichtshof jedoch das Bremer Urteil, später wird das Verfahren vom Bremer Landgericht eingestellt.

Unterdessen gehen allein in Bremen 2000 Werftarbeitsplätze verloren. Wut und Verbitterung spürt der Bremer Medizinsoziologe Wolfgang Hien bei Interviews mit Betroffenen: „Viele ehemalige Vulkanesen fühlten sich als Betrogene, die von der Politik vergessen und verachtet werden.“  (dpa)

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