: Jetzt auch Nippon unter null
Finanzkrise Wie andere Zentralbanken bestraft die japanische nun Kreditinstitute mit Minuszinsen. Bankanalyst warnt vor negativen Folgen und fordert einen Kurswechsel
Von Hermannus Pfeiffer|
Am heutigen Dienstag führt eine weitere große Notenbank Minuszinsen ein. Banken und andere Finanzinstitutionen müssen in Japan ab sofort Strafzinsen für ihr Erspartes zahlen. Auf einen Teil ihrer Reservepositionen erhebt die Bank of Japan ab heute einen Zinssatz von minus 0,10 Prozent. Das wird ihr Milliardeneinnahmen bescheren. Durch die negativen Zinssätze für Einlagen soll aber vor allem das Kreditgeschäft der Banken angekurbelt werden.
„Die große Frage, die man sich stellen muss: Wo kann das noch hingehen mit den negativen Zinsen und hat die Geldpolitik überhaupt noch Wirkung?“, sagt Stefan Große, Analyst der Nord/LB, der taz. Fragen, die man auch der Europäischen Zentralbank (EZB) stellen müsse. Denn: „Was bedeutet das für die Banken, für Versicherungen und Renten, letztlich für die Realwirtschaft?“
Japans Notenbankchef Haruhiko Kuroda hatte noch bis Mitte Januar öffentlich behauptet, genau diesen Schritt nicht in Erwägung zu ziehen. Das Ziel, das Kuroda nach Meinung von Beobachtern mit den Minuszinsen verfolgt, ist, schnellstmöglich die Inflation auf 2 Prozent zu erhöhen. Ein Ziel, an dem sich auch andere Notenbanken orientieren – und das sie seit der Finanzkrise weit verfehlen. Mit den negativen Zinsen will Kuroda andere Maßnahmen flankieren, mit denen die lahmende Wirtschaft Japans angekurbelt werden soll. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Inselstaats fiel 2015 um 1,4 Prozent, wie die Regierung auf Basis vorläufiger Daten am Montag bekannt gab. Der sich abzeichnende Einbruch der Wirtschaft dürfte Kurodas Sinneswandel beflügelt haben.
Analyst Große hält den eingeschlagenen Weg der Bank of Japan oder EZB für „gefährlich“. Das Problem sei, dass die Zinsen schon lange niedrig sind. Japan sei ein weiterer Schritt auf diesem heiklen Weg. Große verweist auf Minuszinsen in der Schweiz, Dänemark und Schweden. Die schwedische Riksbank senkte gerade die Zinsen noch weiter in den negativen Bereich. Und nun habe auch noch die US-Notenbank Fed angefangen, verbal auf die Bremse zu treten. Großes Fazit: „Wir bewegen uns in einer Negativspirale.“
Für die Zukunft verheiße das nichts Gutes: „Die Folgen sind unabsehbar. Etwa wenn die Leute anfangen, massiv Bargeld abzuheben.“ Diese Sorge sei wohl auch der Grund für die politische Diskussion um die Begrenzung des Bargeldes in Frankreich und Deutschland.
Dies alles sei ein fatales Signal auch an die deutsche Wirtschaft: Der Binnenkonsum ist der Träger der deutschen Konjunktur und der könnte dadurch einbrechen. Der eigentliche Zweck, die Kreditvergabe zu stimulieren, werde wahrscheinlich weder in Europa noch in Japan erreicht werden.
Ausgerechnet ein Bankanalyst fordert einen Kurswechsel. „Man muss sich irgendwann davon verabschieden, nach den Notenbanken zu rufen, wenn auf der Welt die Nervosität groß geworden ist oder eine Konjunkturdelle droht“, sagt Große. Es sei Zeit für Konjunkturmaßnahmen seitens der Regierungen. „Die haben wir uns zu lange aufgeschoben, wegen der Staatsschuldenkrise.“ Europa müsse gemeinsam Flagge zeigen, auch angesichts der Flüchtlingssituation. Eine gemeinsame Steuerpolitik für Euroland hält Große für einen gangbaren Weg. Man könne nicht immer nur abwarten und auf die Notenbanken verweisen: „Es ist gefährlich, den Negativzins-Weg weiterzugehen.“
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