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Offensiver Fachmann

Debüt Julian Nagelsmann coacht beim 1:1 seiner Hoffenheimer in Bremen zum ersten Mal in der Bundesliga. Danach reden alle über sein Alter. Seine taktischen Umstellungen wären ein interessanteres Thema gewesen

Aus Bremen Ralf Lorenzen

Es dauerte sechs Minuten, da erhob sich Julian Nagelsmann das erste Mal von der Bank. Er winkte Kevin Volland zu sich, erklärte ihm etwas und zeigte mit den Fingern dabei eine Zwei an. Volland gab die Anweisung an Stürmer Andrej Kramaric weiter, der sich sofort nach vorne neben Sturmpartner Eduardo Vargas orientierte. Es passt wunderbar in die Geschichte des Bundesligadebüts von Nagelsmann, dass keine fünf Minuten später Kramaric zur 1:0 Führung einköpfte. Die vorausgegangene Balleroberung tief in Werders Hälfte samt anschließendem Umschaltspiel bezeichnete Nagelsmann später als eines der Elemente im Spiel, in denen die Mannschaft seine Vorstellungen umgesetzt hätte.

Das geballte Interesse am Auftritt Nagelsmanns im Weserstadion galt allerdings weniger seiner Fachkompetenz, sondern schlicht seinem Alter. Mit 28 Jahren ist er der jüngste Bun­des­li­ga­-Trainer aller Zeiten. Ursprünglich war seine Amtsübernahme erst für die kommende Saison geplant, nachdem Vorgänger Huub Stevens am Mittwoch aus gesundheitlichen Gründen seinen sofortigen Rücktritt bekannt gegeben hatte, wollte die Klubführung nicht noch einen weiteren Übergangstrainer installieren.

Nagelsmann ist der erste Bundesliga-Trainer, der von der Betreuung der U19-Mannschaft direkt den Sprung zu den Profis schafft. Man kann sich vorstellen, wie groß die Umstellung nicht nur für Nagelsmann war, sondern auch für seine Spieler, statt Trainersenior Stevens nun dem Jungspund Nagelsmann in der Kabine zu lauschen.

Seit der gebürtige Oberbayer sich im Alter von 20 Jahren seine Profikarriere verletzungsbedingt beenden musste, hat er sich zielstrebig auf die Arbeit in der Bundesliga vorbereitet. Ende 2012 war er schon einmal ein halbes Jahr Kotrainer der 1899-Profis, die U19 des Vereins führte er 2014 zur deutschen Meisterschaft. Nebenher bereitet er sich auf die Abschlussprüfung für die Fußballlehrer-Lizenz vor.

Bereits auf dem Spielberichtbogen zeigte er seine eigene Handschrift. Vier neue Spieler standen dort in der Startaufstellung, darunter mit Philipp Ochs ein Debütant. Die Ratlosigkeit eines Agenturjournalisten, der sich vor dem Spiel fragte, welchen der Spieler er denn rechts in der Viererkette melden sollte, klärte sich beim Anpfiff: Gar keinen, Hoffenheim spielte erstmals mit einer Dreierkette.

„Die Taktikumstellung war schon extrem, er hat viel geändert“, sagte der überragende Torwart Oliver Baumann. „Aber er hat einen klaren Plan, wir haben ihm voll vertraut. So kann es weitergehen.“ Der Plan kam auch nicht ins Wanken, als Werder früh den Ausgleich schaffte und wieder die Initiative übernahm. Nach der Halbzeit, in der die Bremer ohne große Not ihr Mittelfeld umgestellt hatten, dominierten sie sogar für 15 Minuten die Partie und zeigten, dass sie auch mit Ballbesitz etwas anfangen können.

Wenig später kam es dann zu der Szene, die auf der Webseite der Hoffenheimer zur Szene des Spiels ausgewählt und dramatisch kommentiert wurde: „Ab Minute 60 übernimmt Bremen wieder die Initiative. Was macht Julian Nagelsmann? Er nimmt den ‚Sechser‘ Sebastian Rudy raus und wechselt den ‚Zehner‘ Jiloan Hamad ein. Ein Fingerzeig für die restlichen 13 Spiele. Offensive ist Trumpf. Offensive & Mut bringen Tore und Punkte.“

So war „Mut“ auch der zen­tra­le Begriff der Hoffenheimer Nachbetrachtungen. Der Rückstand zum Relegationsplatz beträgt zwar immer noch fünf Punkte, aber die Aufbruchstimmung war den Hoffenheimer Spielern auch nach dem Spiel noch deutlich anzusehen.

Sie können jetzt mit dem beruhigenden Gefühl in die nächsten Wochen gehen, einen Trainer zu haben, der taktisch auf der Höhe der Zeit ist. Der noch keinen Ruf mitschleppt, als großer Zampano oder Motivator oder Retter, sondern wirklich nur ein ganz normaler Fachmann ist, der sich selbst nicht so wichtig nimmt und jeden von ihnen besser machen will.

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