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Archiv-Artikel

„Pass auf, Nemo!“

In „LiebesLeben“ spießt Sat.1 die Widrigkeiten des Beziehungsalltags auf, spart aber leider auch nicht mit allzu plumpen Pointen (22.15 Uhr)

Von Peer Schader

Es gibt zwei Arten von Menschen. Die einen, die sich finden, und ein Leben lang zusammenbleiben, und die anderen, die sich suchen, aber ständig aneinander vorbeilaufen. In beiden Fällen ist der Stress schon vorprogrammiert. Und das geht so: Björn und Caren sind ein Paar, gerade zusammengezogen, und müssen jetzt erst einmal den Schock verkraften. Er sagt: „Warum hast du denn diese Plastikblumen an den Wannenrand gelegt, wenn die nichts können?“ Sie sagt: „Die sehen einfach schön aus.“

Derweil trauert Malte seiner Exfreundin Christine nach und lenkt sich mit Disco-Häschen ab, mit denen er morgens in einem Bett aufwacht und sie fortan nicht mehr loswird. Sein Kumpel Edwin ist das exakte Gegenteil: längst geschieden und viel zu schüchtern für die harte Flirtwelt da draußen. Die etwas überdrehte Valerie wiederum hört im Auto „Loser“ von Beck, muss von Zeit zu Zeit eine Vollbremsung hinlegen und sagt dann: „Langsam brauch’ ich echt mal wieder einen Freund – das ist schon das zweite Mal, dass ich fast ein Pärchen überfahren hätte.“

Man merkt, dass Sat.1 sich viel Mühe gegeben hat mit „LiebesLeben“, so wie der Sender sich ja derzeit öfter mal anstrengt, gutes Fernsehen zu machen, was viele Zuschauer derart schockt, dass sie glatt das Einschalten vergessen und so etwa der Hochglanzserie „Bis in die Spitzen“ einen miserablen Start beschert haben. „LiebesLeben“ ist nun der Versuch, die vernachlässigte Zielgruppe der Twenty-Somethings für Sat.1 zu gewinnen – eine Serie, die eigentlich besser zu ProSieben passen würde, und die vor allem deshalb witzig ist, weil sie öfter mal ganz nah an der Realität vorbeischrammt: an dem albernen Beziehungszoff, dem Selbstmitleid, der Eifersucht, dem Alleinsein, dem Sich-neu-Verlieben, all den merkwürdigen Dingen eben, für die die Menschen Zeit haben, seitdem sie ihre Nahrung nicht mehr selbst erlegen müssen. Es ist zum Verzweifeln! Und im besten Fall sehr, sehr lustig, weil die Widrigkeiten des Beziehungsalltags überspitzt auf den Punkt gebracht werden – wenn Frauen ihrem entsetzten Partner samstags drohen: „Heute kaufen wir dir endlich mal eine neue Jeans“, und Männer ausrasten, weil sich ihre Freundin mit einem Ex trifft. Einmal schreit das Sensibelchen Björn seine Caren an: „Gib zu: Ich bin dein bisher hässlichster Freund!“ Beim letzten Eifersuchtsanfall hat er schon die Wohnung gelb gestrichen, „I’ve got the Power“ von Snap aufgedreht und den genervt klingelnden Nachbarn an der Tür gefragt: „Zu laut?“, woraufhin der meinte: „Nee, zu schlecht!“

Viel zu oft aber übertreibt „LiebesLeben“ es mit den Zuspitzungen. Situationen sind absurder, als sie es sein müssten und Pointen geraten allzu plump. Edwin will im Stripclub das Geld von der Tänzerin zurückhaben, weil er ihr versehentlich den falschen Schein zugesteckt hat, Verena sportelt den ganzen Tag wie irrsinnig im Fitnessstudio, um für ihre Abendverabredung gut auszusehen, fällt dann aber vor lauter Müdigkeit am Tresen in Ohnmacht, und Björn wird zum hundertsten Mal als Weichei charakterisiert, indem er während des Videoabends aufgeregt „Pass auf, Nemo!“ rufen muss. Noch dazu reden alle Protagonisten immerzu in die Kamera, weil das ein lässiges neues Stilelement ist, und zwischendurch ist öfter mal die Skyline von Köln zu sehen, die eigentlich gar keine ist, weil man bloß den Fernsehturm und ein einsam in den Himmel ragendes Hochhaus erkennt.

Wäre „LiebesLeben“ ein klitzekleines bisschen subtiler, könnte man Sat.1 bedenkenlos zu einer unterhaltsamen Serie gratulieren. Dass Protagonistin Verena aber bei einem großen deutschen Paketdienst arbeitet, ständig diese Jacke anhat, auf der groß und deutlich dessen Logo zu erkennen ist, und sogar zu abendlichen Dates mit ihrem knallgelben DHL-Lieferwagen fährt, macht solche Glückwünsche geradezu unmöglich – und liefert noch dazu das beste Argument dafür, weshalb Placements auf ewig verboten gehören: Weil man sich sonst als Zuschauer so arg über den plumpen Hinweis auf den Sponsor ärgert, dass man nur noch halb so viel Spaß an der eigentlichen Geschichte hat.