Football-Leaks Dem Transfermarkt fehlt jede Transparenz. Solange es die nicht gibt, brauchen wir Enthüllungen
: Vom Wert des Sports

Was für ein großes Wort! Enthüllungsplattform. Eine solche ist Football-Leaks zweifelsohne. Keine, die die Welt bewegen wird, keine, die die Fußballwelt erschüttern wird – aber gewiss eine, die den Blick ermöglicht in eine Welt, in der das Investment in Menschen als höchst lukratives Geschäftsmodell gilt.

Die Enthüller sitzen in Portugal und machen der Öffentlichkeit über eine russische Plattform Dokumente zugänglich, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Die einen, die immer schon fanden, dass Fußballer zu viel verdienen, werden vielleicht noch ein wenig wütender, wenn sie nun nachlesen können, dass wirklich stimmt, was sie immer schon vermutetet haben: Kicker können stinkreich werden.

Real Madrid ist genervt, weil man irgendwie dafür sorgen musste, dass die klubeigene Edelmarke Cristiano Ronaldo nicht weinen muss, weil er doch nicht der teuerste Spieler aller Zeiten ist. Daran waren Zweifel aufgekommen, nachdem enthüllt worden war, dass Real für den Waliser Gareth Bale tatsächlich mehr als 100 Millionen Euro an Tottenham Hotspur überwiesen hat.

Und dass Real beim Transfer von Mesut Özil nach London eine Klausel eingebaut hat, die wohl dafür sorgen soll, dass der teure Mann nicht zur Konkurrenz nach Barcelona wechseln soll, muss jetzt auch irgendwie erklärt werden.

Irre Geschichten um irrwitzige Summen kommen via Football-Leaks ans Licht. Über die lässt sich dann beim gemeinsamen Fußballschauen in der Sky-Kneipe wunderbar diskutieren, wenn im Bundesliga-Spitzenspiel auf dem Rasen gerade nicht allzu viel passiert. Doch wer glaubt, Football-Leaks sei auch nicht mehr als ein weiterer Katalysator für das scheinbar unaufhaltsame Dauerwachstum der Unterhaltungsbranche Fußball, liegt falsch.

Die Einblicke, die die anonymen portugiesischen Enthüller in das Geschäft um Transfers bis jetzt schon gegeben haben, sollten die Verbände alarmieren. Da versuchen Investoren mit aller Macht, sich die Rechte an Spielern zu verschaffen, und treiben diese auf den Spielermarkt, um an den schier unvorstellbaren Summen zu partizipieren, die da mittlerweile gezahlt werden.

Real Madrid ist genervt, weil der Klub die Edel­marke Ronaldo trösten musste

Sieg und Niederlage, das Wohl und Wehe eines Klubs, all das, was den Fußball in den Augen seiner Fans ausmacht, spielt bei dieser Schieberei schon lange keine Rolle mehr. Die Investoren haben verstanden, dass es keine besonders gute Idee ist, Geld in einen abgestürzten und verschuldeten Klub zu stecken und auf Erlöse in ferner, vielleicht erfolgreicher Zukunft zu hoffen. Sie haben den Menschenhandel als lohnendes Investment ausgemacht. Es ist kein Wunder, dass die internationale Profispielervereinigung FifPro die Enthüllungen von Football-Leaks besonders intensiv verfolgt.

Vielleicht ist Mitleid mit den hochbezahlten Spielern, die für ein Leben in Saus und Braus ein paar Freiheiten opfern müssen, nicht angebracht. Aber wenn die Tabelle, in der der Marktwert von Spielern aufgelistet wird, wichtiger wird, als die Ligatabelle nach dem letzten Spieltag, dann hat der Sport verloren. Wenn Football-Leaks dazu beitragen kann, dass dies nicht geschieht, dann haben sich die Enthüllungen in jedem Fall gelohnt. Andreas Rüttenauer