Kolumne Der rote Faden: „Talkin’ Bout a Revolution“

Super Bowl und Wahlkampf. Viel Glamour mit wenig Gewissen. Die Musik der Mächtigen ist – hm, hm – interessant? Eine Woche in den USA.

Sanders und Clinton in einer großen Halle

An Pomp wird nicht gespart, auch die Demokraten machen mit. Foto: ap

Super Bowl oder Primary, Sanders oder Trump, bester Spieler oder beste Umfragewerte, Tacos oder Chili zum Spiel? Die USA huldigen zwei Großereignissen in einer Woche in beinahe religiöser Manier. Der Sonntag, an dem der Super Bowl im Football ausgetragen wird, sollte Feiertagsstatus haben, finden nicht wenige Fans. Tatsächlich sind die Straßen am Nachmittag vor dem Kick-off ausgestorben, selbst Starbucks, stets Sammelbecken für alle Gestrandeten, ist leer.

Da geht es nicht nur um Sport – und was für ein kurios schlechtes Spiel war der 50. Super Bowl am Ende –, da geht es um die Auftritte der Künstler, um den kreativsten Werbespot, um die beste Party vor dem Fernseher (Tacos oder Chili ist dabei eine wahre Glaubensfrage) – und den Glamour einer Industrie, die ihren Topstars Millionen zahlt. Laut Forbes verdient Peyton Manning, Quarterback des diesjährigen Super-Bowl-Gewinners Denver Broncos, mehr als 15 Millionen Dollar im Jahr. Dazu kommen noch einmal gut 12 Millionen durch Sponsoreneinnahmen.

Auch die Ausrichtung des Spiels ist lukrativ. 5.000 Dollar kostet ein Ticket im Stadion im Schnitt, die 80 Dollar für den Parkplatz noch nicht eingerechnet. Ein teurer Spaß, da darf nichts stören.

Dachte sich wohl auch San Franciscos Bürgermeister Ed Lee und wollte das Auge und damit womöglich das Gewissen des geneigten Football-Fans nicht mit etwas so Unangenehmem wie den Obdachlosen belasten. In der Stadt an der Westküste leben Tausende auf der Straße, Unterkünfte gibt es viel zu wenige. Also schlagen sie ihre Zelte in der Stadt auf. Vor dem Spiel wurden einige „umplatziert“. Sie mussten weichen: den Fans, der Party, der Inszenierung. Obwohl das Stadion 72 Kilometer außerhalb San Franciscos liegt.

Grundsätzlich nicht zimperlich

Aber schon Tage vorher strömten Touristen in die Stadt, um zu feiern. Extra dafür wurde unter anderem eine Pop-up-Stadt mitten in Downtown aufgebaut, die „Super Bowl City“. Fast fünf Millionen Dollar ließ sich San Francisco die Ausrichtung der großen Sportparty laut Budgetplanung kosten. Was so viel Geld wohl an der Situation der Obdachlosen verändern könnte?

Doch wie die Organisation „Coalition on Homelessness“ in Umfragen (hier als pdf) erhebt, ist die Stadt grundsätzlich nicht zimperlich. „Ich muss mich nachts wie ein Hund verstecken“, sagt einer von ihnen. Immer mehr Gesetze kriminalisieren das Leben von Obdachlosen. Der Kontrast zur Glitzerwelt des Silicon Valley ist einfach zu groß. Immer schön den Schein wahren.

Das gilt natürlich auch für die Politik, in der Bernie Sanders das Image des makellosen Politikers gerade in seinen leicht knittrigen Anzügen und der unmodernen Brille konterkariert. Aber das Team des neuen Stars der amerikanischen Linken kennt die Mechanismen einer guten Kampagne genau. Und dazu gehört stets die passende Musik für die Auftritte in den Turnhallen und Arenen des Landes.

Die Menschheit hat ein Gewaltproblem. Kann man das ändern, wenn man den Nachwuchs entsprechend erzieht? Lesen Sie mehr darüber in der taz.am wochenende vom 13./14. Januar 2016. Außerdem: Ryan Gattis hat einen genau recherchierten Roman über die L.A. Riots geschrieben – "In den Straßen die Wut". Und: Batumi in Georgien ist eine absurde Stadt, besonders im Winter. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Bei Sanders werden zwei Klassiker gespielt: Tracy Chapmans “Talkin’ Bout a Revolution“ und David Bowies „Starman“. Gerade Chapman korrespondiert ganz wunderbar mit Sanders’ Slogan „A Future to Believe in“, nichts anderes als eine politische Revolution rufen Sanders’ Anhänger derzeit aus. Aber es geht nicht nur um den passenden Songtext. Auch ideologisch sind Chapman und Bowie stimmig für die Zielgruppe. Die Leute sollen sich ja wohl fühlen, und ach, wenn man einen ähnlichen Musikgeschmack teilt, dann ist doch schon Nähe hergestellt zum Kandidaten.

„Happy“ von Pharrell Williams

Bei Hillary Clinton läuft übrigens ein ziemlich durchschnittlicher Pop-Klangteppich – Stichwort „Happy“ von Pharrell Williams. Noch so ein Versuch, bloß nichts falsch zu machen – und damit doch irgendwie danebenzuliegen. Der “Fight Song“ von Rachel Platten, der stets am Ende von Clintons Auftritten gespielt wird, ist allerdings passender denn je.

Bei den Republikanern liegt die Zielgruppe am anderen Ende des politischen wie musikalischen Spektrums, weshalb bei Ted Cruz ganz anderer Stoff aus den Boxen dröhnt: Country. Da trieft der Patriotismus schon aus dem Titel: “Where the Stars and Stripes and the Eagle Fly“, singt Aaron Tippin. Die Flagge und der Weißkopfseeadler, das Wappentier der USA – da drüber geht nur noch die Nationalhymne.

Am tiefsten in die Klischeekiste greift aber mal wieder Donald Trump, der zu seinem Einmarsch in die großen Hallen gerne “Nessun dorma“, die Arie aus Puccinis „Turandot“, spielen lässt. Schön dramatisch und im Wortlaut passend. Gut, auf Italienisch, aber das ist eine Petitesse: „Werde ich siegen! Werde ich siegen!“, heißt es am Ende. Selbstbewusstsein hatte der Mann schon immer.

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Jahrgang 1980, studierte Journalistik und Amerikanistik an der Universität Leipzig und der Ohio University. Seit 2010 bei der taz, zunächst Chefin vom Dienst, seit Juli 2014 Leiterin von taz.de. Schreibt schwerpunktmäßig Geschichten aus den USA.

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