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StadtgesprächHoffnung Francisco

Bei seinem Besuch in Mexiko will der Papst auch Arme und Gewaltopfer treffen. Deren Erwartungen sind riesig

Knut Henkel Aus San Cristóbal de las Casas

Juan Pérez Pérez deutet auf das Transparent, das im seichten Wind vor der Kathedrale von San Cristóbal de las Casas pendelt. „Wenn uns die Behörden nicht endlich helfen, wollen wir mit Papst Franziskus über unsere brutale Vertreibung von unserem Land sprechen. Er ist ein Mann, der uns versteht“, erklärt der Sprecher der Dorfgemeinschaft Shulvó. Die liegt tief im lakadonischen Urwald nahe der mexikanisch-guatemaltekischen Grenze.

Dort wurden im letzten Dezember 46 Menschen von Bürgermeister Manuel Martínez vertrieben. Erst ließ der gewählte Dorfvorsteher Wasser und Strom kappen, dann sogar das Haus von Juan Pérez Pérez abreißen und dessen Land beschlagnahmen. „Das ist in Chiapas kein Einzelfall“, sagt Rechtsanwalt Gil Hernández, „Die indigenen Minderheiten haben es schwer, ihre Rechte vor Gericht durchzusetzen.“

Hernández arbeitet für die Menschenrechtsorganisation Fray Bartalomé de Las Casas und hofft wie deren Direktor Pedro Faro Navarro auf einen nachhaltigen Effekt des Papstbesuchs. „Es hilft, wenn die grundlegenden Probleme von Chiapas und von Mexiko klar angesprochen werden, und das traue ich Franziskus in jedem Fall zu“, meint Faro Navarro.

Das ist, so Bischof Felipe Arizmendi von San Cristóbal de las Casas, auch Ziel der Reise. „Franziskus geht dorthin, wo es Pro­bleme gibt“, erklärt der 76-jährige Bischof. Arizmendi engagiert sich seit rund dreißig Jahren im Armenhaus Mexikos, im Bundesstaat Chiapas, für die sozial Schwachen. „In Chiapas sind das die indigenen Minderheiten und die Migranten, die aus Mittelamerika nach Mexiko und in die USA fliehen“, erklärt er. Beides Gruppen, mit denen der Papst während seiner Visite in Chiapas Kontakt haben wird, denn er wird mit indigenen Vertretern zu Mittag essen und Mi­gran­ten bei einer Visite in einer Herberge be­ge­gnen. ­„Treffen, die die genannten Gruppen aufwerten, für mehr Akzeptanz und ein Abnehmen der Diskriminierung sorgen sollen“, so Padre Gonzalo Ituarte, Leiter der kirchlichen Anlaufstelle für Mi­gran­ten in San Cristóbal de las Casas.

Er koordiniert die Arbeit der drei Herbergen für Migranten in Chiapas, die noch erweitert werden soll, denn die Zahl der Menschen, die den Bandenkriegen, der Perspektivlosigkeit und der Unsicherheit in Guatemala, El Salvador oder Honduras entfliehen, wächst . Für die Transitreisenden gen Norden soll der Papst eintreten, denn sie werden immer wieder überfallen, oft vergewaltigt, manchmal entführt und teilweise in sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse gepresst, und zwar „oft mit dem Wissen, teilweise mit der Mittäterschaft der Behörden“, kritisieren Migra­tions­experten wie der Jesuitenpater Alejandro ­Solalinde aus dem Bundesstaat Oaxaca.

Solalinde hofft, dass der Pontifex klare Worte zu staatlichem Stillhalten, Straflosigkeit und Korruption finden wird. „Diese Gemengelage sorgt erst dafür, dass sich die Spirale der Gewalt immer weiter dreht wie in Michoacán“, so der 71-Jährige.

In dem anderen Bundesstaat wartet die Lehrerin María Wencess Torres in der Kleinstadt Tancítaro auf Beistand bei dem Versuch, die Kinder aus dem Kreislauf der Gewalt herauszuhalten: „Kaum eine Familie aus der Umgebung ist ohne Opfer im Konflikt der Kartelle geblieben“, berichtet die Pädagogin, deren Arbeit aus Mitteln der bischöflichen Aktion Adveniat gefördert wird. Sie wünscht sich, dass Franziskus kein Blatt von der Mund nimmt, wenn es um staatliche Mitverantwortung für die Fortsetzung der Kartellkonflikte geht. „Der Staat ist längst Teil des Problems, und das auszusprechen könnte in Mexiko der Zivilgesellschaft noch einmal einen Schub verleihen und zu ernsthaften Reformen führen“ hofft die 67-Jährige.

Eine Hoffnung, die zahlreiche Mexikaner teilen. Die Abschlussmesse in Ciudad Juárez am 17. Februar könnte dafür die Bühne liefern. Dort sind in den ersten Reihen mehrere Plätze für die Angehörigen der 43 verschwundenen Studenten aus Ayotzinapa reserviert, und auch der unzähligen verschwundenen Frauen aus Ciudad Juárez soll gedacht werden.

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