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: Verzicht auf Subtilität

„Assassina­tion“ (Südkorea 2015, Regie: Choi Dong-hoon)

Im vergangenen Jahr kamen rund 200 neue koreanische Filme in die koreanischen Kinos. 2015 war zwar nicht ganz so erfolgreich wie 2012, in dem die Filmindustrie des Landes nach einer Schwächephase alle Zuschauerrekorde brach. Zur Schwäche kam es 2006, als die Regierung beschloss, die Zahl der Tage, an denen von Gesetzes wegen koreanische Filme in den Kinos gezeigt werden müssen, deutlich zu senken. Aber anders als von vielen erwartet, hielten sich die Folgen in Grenzen. Der Anteil des koreanischen Kinos am heimischen Markt schwankt trotz deutlich geminderten Staatsprotektionismus nach wie vor um die fünfzig Prozent.

Südkorea ist eines der wenigen Länder mit einer eigenen Filmindustrie, die den Namen verdient. Erfolgreich an den Kassen ist, anders als in Deutschland, nicht in erster Linie Komödienschrott, der andernorts zu Recht keinen interessiert. Regisseure wie Bong Joon-ho oder Park Chan-wook werden international gefeiert und koproduziert, gewinnen Festivalpreise, und zugleich sind ihre Filme in Korea Riesenerfolge. Auch das Arthouse-Segment blüht, der jüngste Film von Hong Sang-soo, dem Meister der vertrackten Beziehungstragikomödie, hatte im vergangenen Jahr 40.000 Zuschauer. Hierzulande bekommt man von alldem recht wenig mit. Man muss fast schon froh sein, dass ein sensationell erfolgreiches Werk wie „Assassination“ wenigstens auf DVD zeitnah erscheint.

Mit fast 13 Millionen Besuchern war der Film im vergangenen Jahr sogar nur auf Platz zwei der koreanischen Charts. (Auf Platz eins: der koreanische Cop-Thriller „Veteran“. Auf Platz drei mit „Avengers“ der erste Hollywoodfilm.) „Assassination“ ist eine grandios inszenierte Spionagethrilleractionkomödie, die vorwiegend im Jahr 1933 spielt. Korea ist von Japan besetzt, ein Häuflein gedungener Sniper, Kämpfer, Ganoven werden auf ein Attentat angesetzt: Sie sollen zwei vor allem symbolisch wichtige Figuren der japanischen Besatzungsmacht töten. Aber was heißt ein Häuflein: Gleich drei Teams sind mit en gros und en détail unterschiedlichem Auftrag unterwegs.

Das ist einerseits außerordentlich verwirrend und wird es erst recht, wenn sich zur koreanischen Sniperin noch eine japanische Zwillingsschwester gesellt, noch dazu als Tochter bzw. Ehefrau in spe der beiden designierten Attentatsopfer. Und keiner der Killer tut überdies ganz, was er soll. Vom koreanischen Mann im Hintergrund ganz zu schweigen, der seine offiziellen Aktionen im Auftrag Japans selbst hintertreibt. Kompliziert ist das, komplex ist es nicht, wie überhaupt die Stärke dieses wie vieler anderer koreanischer Blockbuster im selbstbewussten Verzicht auf Subtilität liegt. 140 Minuten voll auf die Zwölf, das muss man nämlich auch erst mal können.

Und „Assassination“ kann. Regisseur und Drehbuch-Koautor Choi Song-hoon hat bisher Heist-, Spieler- und Gangsterfilme gedreht. Seinen patriotischen Historienthriller geht er freilich auf sehr ähnliche Weise an. Indem er zum Beispiel die Historie mit maximaler Respektlosigkeit traktiert. Sie ist Hintergrund und Spielmaterial für eine sagenhafte Ausstattung, durch die die Kamera mit irrer, aber fast immer hocheleganter Beweglichkeit fährt. Die Charakterzeichnung ist grob, typisierend, grotesk, aber das verbindet sich erstaunlich gut mit der hochauflösenden Action, die in einer langen opernhaften Attentatssequenz kulminiert. Das ist, schon gar im Vergleich mit deutschen Historienfilmen, sagenhaft unbetulich, ja maßlos unterhaltsam. Ein Fest, zugegeben, mehr für die Augen als für den Verstand. Aber so viele Feste gibt es im Weltkino nicht. Man sollte sie feiern, wie sie fallen.

Ekkehard Knörer

Die DVD ist ab rund 13 Euro erhältlich.