Reiner Wandler über den linken Konservativen in Lissabon: Präsident der Portugiesen
Portugal hat seit Ende 2015 eine Linksregierung – und künftig mit Marcelo Rebelo de Sousa einen weiteren konservativen Präsidenten.Eine schwierige Kombination, sollte man denken.
Die Regierung will ein Ende der Austeritätspolitik, der zukünftige Präsident kommt eben aus jener PSD, die für den Kahlschlag der letzten Jahre im Auftrag Brüssels und der Troika verantwortlich zeichnete. Könnte Rebelo de Sousa dem Spuk der Linksregierung ein Ende bereiten? Das Recht, das Parlament aufzulösen, hat er als Präsident schließlich. So mancher in Brüssel und Berlin könnte versucht sein, dies zu glauben.
Doch danach sieht es nicht aus. Rebelo de Sousa gehört bei den Konservativen zu den wenigen, die – wie der sozialistische Regierungschef Antonio Costa auch – glauben, dass die Portugiesen genug, ja zu viele Opfer gebracht haben. Der künftige Präsident verspricht, sich hinter die Linksregierung zu stellen und deren Haushalt, der einige Einschnitte zurücknehmen wird, zu unterstützen. „Die Portugiesen befriedigen und Brüssel erfreuen“, sagt er.
Rebelo de Sousa will Präsident aller Portugiesen sein. Der Professor, der als Unabhängiger angetreten ist, weiß, sein Wahlsieg ist sein persönliches Verdienst. Denn weder sein Vorgänger und Parteifreund Ánibal Cavaco Silva, der den sozialen Kahlschlag unterstützte und mit absurden Manövern versuchte, die Linksregierung zu verhindern, noch der ehemalige konservative Regierungschef Pedro Passos Coelho werden den Portugiesen in guter Erinnerung bleiben.
Wenn sie trotz dieser schmerzhaften Erfahrungen einen Konservativen zum Präsidenten gewählt haben, dann taten sie dies, weil Rebelo de Sousa als integer gilt. Er wird diesen Ruf kaum verspielen. Brüssel und Berlin sollten sich keine allzu großen Hoffnungen machen. Rebelo de Sousa ist ein Konservativer, aber unabhängig genug, um an sein Land und nicht nur an die Interessen der Troika zu denken
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