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„Vor jedem Club zwei Einsatzwagen“

schick Franck Edmond Yao weiß viel über die Verbindung von Mode, Lebensphilosophie und Tanz im Austausch von Europa und Afrika. Mit „Der Botschafter“ ist der Performer wieder im HAU zu sehen

Interview Astrid Kaminski

Franck Edmond Yao lebt, wo er arbeitet, in Paris, Berlin, Abidjan, unter anderem. Er wurde als Kind zweier Tanzlehrer in Abidjan, Côte d’Ivoire, geboren. Dort ist er unter dem Namen Gadoukou la Star vor allem als Sänger bekannt. 2008 erschien das Album „Coupé Décalé“, benannt nach einem in Pariser Clubs entstandenen Gesangs- und Tanzstil, den er maßgeblich mitgeprägt hat. Mehrfach wurde er in Paris als „bester Diasporatänzer“ ausgezeichnet.

Seit 2005 arbeitet er mit dem Performance-Label Gintersdorfer/Klaßen zusammen und ist seitdem regelmäßig auf deutschen Bühnen zu sehen, aktuell in „Der Botschafter“. Zum Interview erscheint er in sportlicher Kleidung im Café, die Wollmütze lässt er auch während des Chocolat-chaut-Löffelns auf. Sein Französisch mit dem verschluckten „r“ ist eine Herausforderung, vor der ich, in Kombination mit der superlauten Kaffeemaschine, fast kapituliere.

taz: Monsieur Yao, Benguisten werden in der Côte d’Ivoire Menschen wie Sie genannt, die nach Beng, nach Europa, gehen. Wie bezeichnen Sie sich selbst, eher als Benguiste oder als Ivorer?

Franck Edmond Yao:Halb halb. Nichts wirklich. Wegen dieser Frage habe ich zwei Tanzkompanien gegründet, in Abidjan, eine Jungs- und eine Mädchengruppe.

Mit muslimischen Jugendlichen, oder warum getrennt?

Nein, nein, nicht wegen der Religion, sondern im Sinn der Tradition von Urban Dances. Mädchen und Jungs tanzen unterschiedliche Stile. Die Mädchen müssen ihre Position erst noch finden. Einen Stil, der nicht so sehr auf Kraft setzt wie der der Jungs. Warum habe ich diese Kompanien gegründet? Sehen Sie, ich habe viel Zeit im Ausland, außerhalb der Côte d’Ivoire, verbracht. Da verliert man die Geschehnisse im eigenen Land schnell aus dem Blick. Man lebt in Kategorien: Ich bin Benguiste, die anderen sind Blédards, Dörfler. Und irgendwann beginne ich die Leute auch als Blédards zu behandeln, als Ivorer-Ivorer. Und manchmal mache ich sogar Sachen gegen sie. Nicht bewusst, sondern einfach durch meinen Lebensstil.

Aber jetzt fühlen Sie eine soziale Mission? Wie heißen die Gruppen und wie lange gibt es sie schon?

Erst seit einem halben Jahr. Sie haben englische Namen, aber das kriege ich nicht über die Lippen. Amasa-mase heißen die Frauen. Also in etwa „Unglaubliche Mädchen“.

Amazing Girls!

Genau! Danke. Die Jungs heißen Wis-Boys.

Wie?

So was wie „hübsch“, „beflügelt“.

Der französischer Kellner des Cafés:Wie ich!

Wings! Was Ihr Englisch angeht, sind Sie französischer als die Franzosen.

Absolut!

Mir scheint, Sie haben sich verändert. Ich habe zwar nie mit Ihnen gesprochen, aber in den Performances von Gintersdorfer/Klaßen, mit denen Sie seit 2005 in Deutschland auftreten, strahlen Sie, zumindest in Ihrer Rolle, reines Genussdenken aus, als ob Clubbing alles wäre ...

Ja, ich habe mich verändert. Benguiste zu sein, das war irgendwann keine Herausforderung mehr für mich. Wobei ich sagen muss, dass ich selbst nie wirklich diesen Lebensstil für mich übernommen habe. Für die Performances habe ich vielmehr kopiert, was ich um mich herum gesehen habe. Das Tricksen, sich ein bisschen auf die Schippe nehmen, auch mal hart anfassen – nicht bösartig, eher als Kommunikation.

Das Battle-Prinzip.

Voilà. Das Prinzip heißt: Wir sind in Europa, und schon allein darum sind wir stark. Aber dieses Starksein müssen wir spielen. Europa ist perfekt, es ist schön, die Läden haben alles, man hat Geld, man geht die ganze Zeit aus ...

„Der Botschafter“

„Der Botschafter – ein deutsch-westafrikanisches Singspiel“ heißt das neue Stück von Gintersdorfer/Klaßen. Das Label der Regisseurin Monika Gintersdorfer und des bildenden Künstlers Knut Klaßen hat seinen Arbeitsschwerpunkt seit mehr als zehn Jahren in Abidjan. Dort hat sich über die Jahre ein intensiver Kontakt zu zwei deutschen Botschaftern entwickelt. Für Franck Edmond Yao sind sie sogar zur „Familie“ geworden. „Der Botschafter“ versucht sich mit einer hochkarätigen elfköpfigen Besetzung in die Denk- und Handelsgewohnheiten dieser Diplomaten hineinzuversetzen. Vom 20. bis 23. Januar im HAU 2. (ak)

Gibt es denn niemanden, der dieses geschönte Europabild korrigiert?

Im Gegenteil. Jeder, der dahin geht, trägt zum Mythos bei. Es ist ein Mythos der Vorstellung, ein Traum, der sehr, sehr stark ist. Und der kann durch nichts zerstört werden. Sogar die Presse macht Propaganda für Europa. Du kannst in so viele afrikanische Länder reisen, wie du willst, Dein Einfluss ist null. Wer in Europa war, hat einen Namen.

Europa als Identität. Welchen Einfluss hat die enorme Flüchtlingswelle des letzten Jahres darauf?

Einen großen. Beng wird immer populärer.

Sie haben den Tanzstil der Pariser Benguisten, das Coupé-Décalé, mitentwickelt – eine Art Statussymbol-Tanz, der auf traditionellen ivorischen Elementen aufbaut. Das war so etwa vor zwölf Jahren. Später haben Sie ihn dann in der Logobi-Reihe des Regieteams Gintersdorfer/Klaßen dem deutschen Publikum erklärt, in vielen Theatern. Logobi ist inzwischen ein bisschen abgespielt. Wie ist es mit Coupé-Décalé? Ist der Stil noch in Mode?

Der kann nicht aus der Mode kommen. Es werden ja jeden Tag wieder neue Tanzfiguren entwickelt, es gibt ein enormes Niveau an Kreativität. Und der Tanz ist nicht nur Tanz, sondern er ist an eine Lebensphilosophie gebunden und die wiederum an eine Imagination. Das zu leben ist eine Revolution. Die schicken Marken Versace, Gucci, Armani etc., die wurden doch nicht für uns, die wurden für die reichen weißen Europäer entworfen. Und nun beanspruchen Leute, die im wirklichen Leben vielleicht Klempner sind, diesen Lebensstil für sich genauso. Die Leute, die das leben, haben eine unglaubliche Power.

Aber das Clubbing und die Clubs verändern sich?

Sehr. Alles wird fanatisch. Als wir den Coupé-Décalé entwickelt haben, gab es noch keine Jagd auf Illegale. Es gab nicht überall dieses Misstrauen. Die Polizei durchkämmt jetzt alles. Vor jedem Pariser Club zwei Einsatzwagen. Du trägst nicht mehr einfach so eine Flasche Champagner, dieses Symbol der Tollheit, diesen Traum von Bourgeoisie, vor dir her, wenn du in den Club gehst. Bei jeder Flasche Champagner, die du bei dir hast, wollen sie wissen, woher sie kommt. Wenn du heute aus dem Haus gehst, denkst du nicht nur an deinen Tanz, sondern erst einmal daran, aufzupassen.

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