Nach 544 Tagen in Haft

USA I Der Iran hat den "Washington Post"-Korrespondenten Jason Rezaian freigelassen

In einer der letzten Geschichten vor seiner Festnahme schrieb Jason Rezaian über eine Drogenentzugsklinik am westlichen Stadtrand von Teheran, ein Rehabilitationszentrum, in dem ausschließlich Frauen behandelt werden. Rund 700.000 Iranerinnen seien rauschgiftabhängig, zitierte er aus einer vertraulichen Statistik und fügte hinzu, dass es sich um eine wachsende „Klasse von Menschen“ handle, deren Probleme die traditionelle islamische Gesellschaft am liebsten unter den Teppich kehren würde.

Rezaian war damals Iran-Korrespondent der Washington Post, der einzige US-amerikanische Staatsbürger, der permanent als Auslandskorrespondent in der Islamischen Republik arbeiten durfte. Akkreditiert im Jahr 2012, lieferte er Einblicke, welche die Leser seiner Zeitung bis dahin nicht hatten, nicht das Übliche, was man sowieso schon über den „Staat der Mullahs“ zu wissen glaubte. An einem College in New York hatte er Farsi gelernt; er wollte das Land kennenlernen, das sein Vater in den 1960er Jahren verlassen hatte.

Am 22. Juli 2014 wurde Rezaian, zusammen mit seiner iranischen Frau Yeganeh Salehi, einer Journalistin, festgenommen. Während Salehi bald freikam, blieb Rezaian hinter den Gittern des Evin-Gefängnisses. Als er im Mai vor einen Richter gestellt wurde, geschah es unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Anklage lautete auf Spionage, im Oktober wurde der Reporter für schuldig befunden.

Die Washington Post sprach von einer Farce, Präsident Barack Obama sagte, Jason Rezaian sitze aus einem einzigen Grund im Gefängnis, „weil er von den Hoffnungen und Ängsten der Iraner erzählt hatte“. 544 Tage saß er der 39-Jährige in Haft. Am Sonntag durfte er den Iran verlassen, gemeinsam mit drei anderen US-amerikanischen Bürgern, die inhaftiert waren.

Frank Herrmann, Washington

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