: "Fingerzeigen ist zu einfach"
Filmvorstellung „Willkommen auf Deutsch“ diskutiert Probleme der Flüchtlingsintegration
48, ist studierter Politikwissenschaftler und betreibt mit Kollege Carsten Rau eine Filmproduktionsfirma.
taz: Herr Wendler, warum haben Sie gerade auf dem Land gedreht, um Probleme der Flüchtlingspolitik einzufangen?
Hauke Wendler: Wir wollten wissen, wie die normale deutsche Mehrheitsgesellschaft mit Flüchtlingen umgeht, was es an Sorgen, aber auch an Vorurteilen gibt. Das hätte man auch in einer NPD-Hochburg im Osten drehen können, um mit dem Finger zu zeigen: „Guck mal die da!“. Aber damit machen wir es uns zu einfach. Das Erschreckende beim Drehen war, dass wir nicht von einem Problem der neuen Bundesländer reden oder dass es Bedenken gibt, sondern, dass sich immer wieder Rassismus offen Bahn brach.
Sind Ressentiments bezeichnend für ländliche Regionen?
Die Konflikte, die wir im Film darstellen, sind übertragbar auf das gesamte Bundesgebiet. Das lässt sich nicht trennen nach Stadt oder Land. Da gibt’s im Landkreis Harburg, in dem wir gefilmt haben, die gleichen Debatten und Probleme wie in den anderen 300 Landkreisen. Und die Pole, zwischen denen sich der Film bewegt, haben sich auch bei den Diskussionen zum Film widergespiegelt. Dieses Potenzial an Fremdenfeindlichkeit ist da und wir dürfen das nicht unhinterfragt beiseite schieben.
Also muss man die Sorgen der Leute ernst nehmen?
Unbedingt. Der Film zeigt, dass Politik und Verwaltung die Sorgen der Bevölkerung aufgreifen müssen. Gerade weil Integration ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist. Aber diese Debatte muss sachlich geführt werden. Wenn rassistische Positionen eingenommen werden, um Ängste zu schüren und Politik zu machen, wirft uns das wahnsinnig zurück. Das ist einfach nicht hinnehmbar.
Ihr Film läuft seit einem Jahr im Kino – ist er überhaupt noch aktuell?
Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, da wirkte die Zahl von 200.000 Asylbewerbern, von der am Schluss die Rede ist, natürlich überholt. Aber wenn man den Film als Ganzes betrachtet, sind die Konfliktlinien und Auseinandersetzungen, die wir anhand der Protagonisten erzählen, aktueller denn je. Leider.
Interview: Nils Reucker
Filmvorstellung „Willkommen auf Deutsch“, 19.30 Uhr, Cesar-Klein-Ring 40, Eintritt frei
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen