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Verwaltung Berlin kommt mit dem Bevölkerungszuwachs nicht klar: Nun wollen Grüne und CDU den Schulbau zentraler organisieren; die Koalition hat ein „neues Bürgeramt“ beschlossen. Was bringt das?

Illustration: Eleonore Roedel

von Anna Klöpper

Merkwürdig eigentlich, dass gerade das Thema Verwaltung zuverlässig einen Gähnreflex provoziert – regen wir uns doch ständig über Konsequenzen auf, die ihr Nichtfunktionieren mit sich bringt: die Schlangen vor den Bürgerämtern, unsanierte Schulklos, das Chaos bei der Unterbringung von Flüchtlingen.

Nun war das unsexy Thema Verwaltung zuletzt erstaunlich präsent in der öffentlichen Diskussion. Auf der Senatsklausur vergangene Woche stellte die rot-schwarze Koalition ein Konzept für ein zusätzliches, „neues Bürgeramt“ vor, das sich vor allem um die Registrierung der Flüchtlinge, aber auch um Meldeangelegenheiten und Personalausweise von BerlinerInnen kümmern soll. Allerdings hätte dieses „neue Bürgeramt“ keinen Ort; die zusätzlichen Stellen würden dezentral verteilt (siehe auch Text unten).

In der CDU-Fraktion denkt derweil eine Arbeitsgemeinschaft über einen zentralen Landesbetrieb für die Schulbauten nach. Und die Grünen-Fraktion beschloss auf ihrer Winterklausur am Wochenende ebenfalls ein Konzept zur Schulsanierung, das bezirksübergreifende Regionalmanagements für die Schulgebäude vorsieht (siehe anderen Text unten).

Nur Aktionismus?

Die Kernfrage, bei den Bürgerämtern wie bei den Schulen: Lässt sich dem Personal­pro­blem mit einer Strukturreform beikommen? Muss man gar die alte Debatte über die Sinnhaftigkeit der Bezirke per se noch einmal aufreißen, wie es die CDU letztlich tut, wenn sie „prüft“, wie ihre bildungspolitische Sprecherin Hildegard Bentele sagt, die Schulgebäude aus der Verantwortung der Bezirke zu nehmen? Oder ist das bloß hilf­loser Aktionismus, wie einige Stadträte finden, um ein simples Ressourcenproblem zu übertönen?

Tatsächlich weisen die Warteschlangen, das Flüchtlingselend und die löchrigen Schulfassaden auf ein grundsätzliches Problem hin: Berlins Verwaltung kommt mit der wachsenden Stadt schlichtweg nicht klar.

Vier Millionen Einwohner wird Berlin laut der jüngsten Bevölkerungsprognose des Senats in zehn Jahren zählen. Hinzu kommen die Flüchtlinge: Rund 80.000 kamen im vergangenen Jahr, bis 2020 rechnet Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) mit rund 175.000 Neuankömmlingen. Und bei der sogenannten Schulbevölkerung, also den 6- bis 18-Jährigen, erwartet man bis 2030 eine Zunahme um 20 Prozent.

Gleichzeitig war die Verwaltung jahrelang das Sparschwein des Senats: Seit 2006 wurden laut Statistikstelle Personal bei der Senatsverwaltung für Finanzen etwa 12.600 Stellen im Landesdienst eingespart. Das sind 10 Prozent des Personals. Allein in den kommenden zwei Jahren müssen 11.000 Stellen im Landesdienst neu besetzt werden, vor allem weil Mitarbeiter in Rente oder Pension gehen, teilte die Finanzverwaltung am Dienstag mit. Doch im kommenden Doppelhaushalt sind lediglich 4.100 Stellen vorgesehen.

Lässt sich dem Personalproblem mit einer Strukturreform beikommen?

Die Grünen haben sich nun getraut, das sperrige Thema Verwaltung auf ihre Wahlkampf-agenda für die Abgeordnetenhauswahl am 18. September zu setzen. Ihre Spitzenkandidatin und Fraktionsvorsitzende Ramona Pop sprach im Tages­spiegel von einer „Verwaltungskrise“ und forderte eine Diskussion über die Aufgabenverteilung zwischen Senat und Bezirken. Ihre Fraktionskollegin, die bildungspolitische Sprecherin Stefa­nie Remlinger, sagte der taz, sie hoffe, mit dem Thema Schulbauten auch eine „Diskussion über Verwaltungsstrukturen“ anzustoßen.

Verwaltungsexperte Manfred Röber, der jahrelang an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Karlshorst lehrte, findet das richtig: „Berlin macht nicht genug aus den eigentlich sinnvollen Doppelstrukturen.“ Zum Beispiel die Bezirksämter, so Röber: Bis heute werden die Stadtratsposten schlicht nach dem Kräfteverhältnis der Parteien im Bezirksparlament vergeben. „Das lähmt die Debatte. Gäbe es eine Partei oder eine Koalition, die man dafür verantwortlich machen könnte, dass es zum Beispiel beim Schulbau nicht läuft, wäre der politische Druck weitaus größer.“

Ausdrücklich nicht führen wollen die Grünen allerdings eine Debatte darüber, wie sinnvoll die doppelte Verwaltung – Bezirke und Land – grundsätzlich ist. Es gehe nicht um eine Konkurrenz zwischen Senat und Bezirken, betont Fraktionschefin Ramona Pop. Und Stefanie Remlinger erklärt, man wolle den Bezirken sogar mehr Entscheidungsmacht geben, indem man den Regionalmanagements Schulbau auch die Hoheit über Landestöpfe gibt.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat bereits gesagt, über das Thema Verwaltung werde in dieser Legislaturperiode nicht mehr diskutiert. So oder so, die Debatte darüber wird kommen, wenn sich die Bevölkerungsprognose auch nur annähernd erfüllt. Und zum Gähnen ist die wahrlich nicht.

Beispiel 1:
Neues Bürgeramt

Das Problem: Etwa zwei Monate lang muss man derzeit warten, um seinen Wohnsitz umzumelden. Die Landeswahlleiterin warnte bereits vor einem Chaos zur Abgeordnetenhauswahl im September. Denn Grundlage für das Wählerverzeichnis ist das Melderegister. Hinzu kommen die Flüchtlinge, die ebenfalls von den Bürgerämtern registriert werden müssen, sobald sie eine Unterkunft haben.

Die Konzepte: Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte ein „zentrales Musterbürgeramt“ der Hauptverwaltung gefordert, das das Angebot der Bezirke „unterstützen“ sollte. Vergangene Woche war dieser „Schnellschuss“ (O-Ton Grüne-Fraktion) wieder passé. Die Koalition stellte ihr „neues Bürgeramt“ vor: 50 neue Stellen, die Hälfte davon nur für die Flüchtlinge zuständig.

Das könnte es bringen: so viel wie jedes Stellenprogramm, das angesichts des tatsächlich prognostizierten Personalbedarfs nicht mehr als Flickschusterei ist. „Da ist es dann auch egal, ob Sie den Mangel zentral oder dezentral verwalten wollen“, sagt Wissenschaftler Manfred ­Röber. AKl

Beispiel 2: Grüne
wollen Schule machen

Das Problem: 2 Milliarden Euro betragen die Kosten der notwendigen Sanierung von 4.600 Schulgebäuden. Die Bezirke würden Investitionsgelder nicht abrufen, klagt das Land. Weil wir kein Personal haben, kontern die Stadträte.

Die Konzepte: Die Grünen wollen drei bezirksübergreifende Schul- und Bezirke Immobilien Management GmbHs, kurz SuBIMs. Die Bezirke bleiben im Besitz der Gebäude, die SuBIM kümmert sich als Diensthalter um die Instandhaltung. Die Bezirke zahlen dafür eine Miete. Rücklagen aus den Mieteinnahmen sollen wieder in die Sanierung investiert werden. Damit entstünde ein eigener Wirtschaftskreislauf, man wäre nicht mehr an den Landeshaushalt gebunden. In zehn Jahren soll auf diese Weise der „Sanierungsstau“ abgearbeitet sein. Die CDU will im Februar ein Konzept vorlegen. Auch die Idee eines zentralen Landesbetriebs wolle man „prüfen“.

Das könnte es bringen: Nicht mehr abhängig zu sein von der jährlichen Haushaltsplanung wäre hilfreich, heißt es aus den Bezirken. „Dass man mit dem Dienstleistermodell aber noch eine Verwaltungseinheit aufbauen will, erschließt sich mir nicht“, sagt Mittes Schulstadträtin Sabine Smentek (SPD). Kann schon Sinn haben, sagt hingegen Verwaltungsexperte Manfred Röber: „Bei überschaubaren Aufgabenbereichen, etwa beim Bau, muss nicht jeder Bezirk die gleichen Ressourcen vorhalten.“ AKL