LeserInnenbriefe
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Nährwertlose Deutungen

betr.: „Dumme Vorurteile über Freud“, taz vom 8. 1. 16

Es ist wünschenswert, dass die „aus der Mode“ gekommene Psychoanalyse wieder mehr an Bedeutung gewinnt und das „psychisch Störende“ in einem erweiterten Kontext gesehen wird. Einige Gründe für die Abwärtsentwicklung sind in dem Artikel genannt. Ein weiterer Grund liegt in der „dunklen Seite“ der Prosperität in den 60er und 70er Jahren. Tilmann Moser schreibt dazu 1987 in seinem Buch „Der Psychoanalytiker als sprechende Attrappe“: „Obwohl also klar ist, dass die Patienten in wichtigen Bereichen ihrer seelischen Struktur nicht über das Säuglingsstadium hinausgekommen sind, werden sie auf der Couch behandelt wie erwachsene Individuen, denen man in wohlgesetzten Worten und korrekter Grammatik die absolut nährwertlosen Deutungen ins Ohr flößt.“ Diese PatientInnen waren für die damalige „strenge“ Technik einfach nicht geeignet.Dörte von Drigalski hat 1980 ihre leidvollen Erfahrungen in dem Buch „Blumen auf Granit“ eindrucksvoll dargestellt. Viele PatientInnen verharrten in langen Analysen in der – indirekt vom Analytiker vermittelten – Hoffnung auf Besserung ihrer Leiden, viele kehrten schnell der Analyse den Rücken. Diese Seite ist bis heute von der Psychoanalyse nur unzulänglich aufgearbeitet worden. Klaus Lühring,Hamburg

Das Recht der Gewalttäter

betr.: „ Menschenjagd in Kölner Innenstadt“, taz vom 12. 1. 16

Michael Temme, bei der Polizei zuständig für Gefahrenabwehr, meint, „dass Gewalttäter das Recht in die eigene Hand nehmen“ dürfe nicht zugelassen werden. Er geht also davon aus, dass es für diese Gewalttäter ein Recht gibt? Kölns DGB-Vorsitzender spricht gar von „Selbstjustiz“ der „Sonntagsspaziergänger“. Für ihn verstoßen demnach friedliche Besucher der Kölner Innenstadt gegen Gesetze, und Hooligans, Rocker und andere gehen in Selbstjustiz dagegen vor, weil die Polizei dazu nicht in der Lage ist? Vielleicht kann mal jemand diese Herren dazu ermuntern, über ihre öffentlichen Äußerungen nachzudenken, in Zukunft am besten vorher. Peter Pönicke, Dortmund

Zeitungsnobelpreis verdient

betr.: „Witz, komm raus, du bist umzingelt“, taz vom 7. 1. 16

hallo taz, ich lese euch seit anfang eurer zeitung. ich lese auch sehr gerne andere zeitungen. ich bin ein zeitungsnarr. ihr habt mein herz berührt mit dieser ausgabe. ich möchte euch sehr gerne zum zeitungsnobelpreis vorschlagen. seit diesem tag dürft ihr auch manchmal so viel kotzen wie ihr wollt. weil manchmal kotzt ihr mich an. und wie den leserbriefen zu entnehmen, auch andere. ich wollte sie mir schon beinahe nicht kaufen, meine neugier war stärker. vielen herzlichen dank für eure arbeit und eure tiefen gefühle, die ihr habt. Stephan Popovic,Stuttgart

Darf Karikatur alles?

betr.: „Witz, komm raus, du bist umzingelt“, taz vom 7. 1. 16

Fast allem, was in dieser Sonderausgabe geschrieben wurde, kann ich als überzeugter Verfechter der Presse- und Meinungsfreiheit zustimmen. Dennoch komme ich ebenso wenig wie einige übel gescholtene Relativierer nicht ohne ein „Aber“ aus. Dürfen Karikatur und Satire wirklich alles? Die Karikaturen mit hakennäsigen geldgierigen Juden aus dem Stürmer findet man heute mehrheitlich nicht mehr lustig, sondern zu Recht volksverhetzend. Und auch über Zeichnungen, die das Unwort „Neger“ in die Bildsprache übersetzen, beispielsweise durch überdimensionale Lippen und ins Haar eingeflochtenem Knochen, dürften sich die wenigsten taz-LeserInnen amüsieren. Es ist das Wesen von Karikatur und Satire, öfter mal an die Grenze des guten Geschmacks gehen zu müssen. Konflikte mit Werten wie Religionsfreiheit oder der Achtung der Menschenwürde sind dabei vorprogrammiert. Konflikte, die mit Sicherheit weder durch Selbstzensur, noch mit Kalaschnikows – und nur sehr bedingt durch unabhängige Gerichte – zu lösen sind. Religiösem Fanatismus und seiner im Terrorismus mündenden Endmoräne muss mit allen Mitteln entgegengetreten werden, einschließlich der Karikatur. Unbedingt vermieden werden sollte jedoch jegliche Art von Pauschalisierung. Eine Karikatur sollte nicht dem Eindruck Vorschub leisten, dass der Islam mit Terrorismus gleichzusetzen ist. Denn dadurch fühlen sich zu Recht Millionen von friedliebenden gläubigen Menschen in eine Ecke gestellt, in die sie nicht gehören. Man muss die hirnverbrannten islamistischen Fanatiker nicht immer in Gegensatz zu unserem westlichen/weltlichen Lebensstil stellen. Denn sie sind für den Lebensstil vieler Muslime und Muslima eine mindestens ebenso große Bedrohung. Warum sonst flüchten sie zu Abertausenden nach Europa? Hierüber wünsche ich mir viele, gerne auch bissige, Karikaturen. In diesem Sinne: je suis Charlie Hebdo! Alex Flor, Berlin

Etwas mehr Reflexion, bitte

betr.: „Der Kampf um Connewitz“, taz vom 13. 1. 16

Schön dass du informierst, taz. Aber wieso wird da der Extremismusbegriff benutzt, mit dem die Leipziger Volkszeitung und die Bild am Tag danach mal wieder die schlimmen Linksextremisten mit den Nazis gleichsetzten? Ich wünsche mir etwas mehr Reflexionsvermögen von der taz. Theodor Bronstein,Leipzig