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Drohnen und Kampfflugzeuge über Sirte

LIBYEN Falls es doch noch zu einer Einheitsregierung kommt, steht ein Krieg gegen den IS bevor

VON Mirco Keilberth

TUNIS taz | In Libyen ist kein Ende des Machtkampfs abzusehen, ungeachtet der Ernennung von Premierminister ­Fayez al-Sarraj Ende vergangenen Jahres. Während in Tunis um die Ministerposten gerungen wird, die laut einem Friedensabkommen bis Ende der Woche verkündet werden müssen, rüsten die Machthaber in Tripolis gegen die „von den Vereinten Nationen diktierte Friedenslösung“, so Nuri Busahmain, Präsident des Nationalkongresses, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannten Regierung. Busahmain rief am Wochenende die Generalmobilmachung aus und versucht weiterhin, mit dem Präsidenten des verfeindeten Parlaments im ostlibyschen Tobruk eine rein libysche Kompromisslösung an der UNO vorbei zu finden.

Da sich der UN-Sicherheitsrat und die Nachbarländer bereits auf die Seite der durch den UN-Sondervermittler Martin Kobler ausgehandelte Serraj-Regierung geschlagen haben, versuchen Busahmain und die mit ihm verbündeten Islamisten nun, ihren Trumpf aus zuspielen: Sie besetzen neuralgische Punkte in Tripolis und schwören Dschihadisten gegen Serraj ein, die bereit sind, notfalls mit Waffengewalt eine „internationale Intervention“ zu verhindern. Wie gering die Chancen für eine Einheitsregierung in Tripolis sind, zeigte Serrajs erster offizieller Besuch in Libyen. Geschützt von Milizen aus der Handelsstadt Misrata, nahm er an der Trauerfeier für die 50 Opfer eines Autobombenanschlags teil, die ein tunesischer Anhänger des „Islamischen Staates“ (IS) in der Küstenstadt Zliten gezündet hatte.

Bei der Rückkehr zum Flughafen von Misrata wurde der Konvoi von wütenden Milizionären und Bürgern gestoppt. Dass der aus Tripolis stammende Serraj den in Bengasi gegen Extremisten kämpfenden General Chalifa Haftar nicht kategorisch ablehnt, kostet ihm in Westlibyen viel Sympathien. „Die Lokalräte und Milizen schauen zurzeit genau hin, welche der beiden Seiten stärker ist,“ sagte Expremier Mustafa Abu Schagur der taz.

Doch selbst wenn sich die Staatengemeinschaft durchsetzen sollte, würde dies keinen Frieden, sondern den Anfang eines Krieges gegen den IS bedeuten, der sich im Machtvakuum des vergangenen Jahres an mehreren Orten ausbreiten konnte. Nach der Autobombe jn Zliten und den Angriffen auf Libyens größte Öllager und Häfen bei Sidra und Ras Lanuf entging auch Serraj nur knapp einem IS-Anschlag. Fünf Kilometer vor dem Flughafen Misrata, von wo Serraj in sein tunesisches Exil zurückfliegen wollte, stoppten Sicherheitskräfte einen mit Sprengstoff beladenen Krankenwagen.

Sirte wird vermutlich zum Hauptquartier eines geplanten IS-Kalifats in Afrika

Libysche Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass der IS Sirte in Kürze zum Hauptquartier eines geplanten Kalifates in Afrika ausrufen wird. Von Sirte aus sind die wichtigsten Mittelmeer-Schifffahrtsrouten mit einem Schlauchboot in wenigen Stunden zu erreichen. Die Hauptstädte Tunesiens und Libyens sind bereits im Visier der IS-Strategen. Am Wochenende explodierte eine Autobombe am Märtyrerplatz, das Attentat auf die tunesische Präsidialgarde im vergangenen Jahr war in einem IS-Trainingslager in Sabratah vorbereitet worden.

Da der IS immer mehr Kämpfer nach Sirte schleust, könnte ein Scheitern der Diplomatie zu einem erneuten internationalen Militäreinsatzes führen. Inoffiziell hat dieser bereits begonnen. Nach tagelangen Drohneneinsätzen über Sirte und Sabrata bombardierten unbekannte Kampfflugzeuge in der Nacht zu Montag Gebäude am Stadtrand von Gaddafis ehemaliger Heimatstadt.

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