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Headbangen zu Beethoven

Musikalische Bildung Die Initiative „Rhapsody in School“ macht klassische Musik für Kinder attraktiv – am Freitag feierte sie ihr zehnjähriges Bestehen im Konzerthaus Berlin

Die israelische Künstlerin Sharon Kam zeigt den Kindern, warum die Klarinette nicht einfach nur eine Klarinette ist Foto: Dagmar Morath

von Laura Aha

Von der Loge aus betrachtet gleicht der große Saal des Konzerthauses an diesem Freitagabend einem wimmelnden Ameisenhaufen. Das Klackern der Schuhe zur Eile antreibender Mütter, das Blitzen der Smartphones stolzer Väter, die begeistert Selfies mit ihren herausgeputzten Sprösslingen aufnehmen, und das Geschnatter zahlreicher Kinder erfüllt den Saal. Die älteren Semester im Publikum zeigen sich an diesem Abend dem Treiben gegenüber erstaunlich wohlwollend – sind es doch zumeist ihre eigenen Enkel, die sie an diesem Abend ins Konzert geführt haben. Der Gong ertönt, das Licht geht aus, und Benjamin Brittens Variation „The Young Person’s Guide To The Orchestra“ eröffnet programmatisch das musikalische Anliegen des Abends.

Anlass des Familienkonzerts ist das zehnjährige Jubiläum der Bildungsinitiative „Rhapsody In School“, die 2005 vom Konzertpianisten und Dirigenten Lars Vogt ins Leben gerufen wurde. Mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen mit klassischer Musik in Berührung zu bringen, gehen Starmusiker wie etwa Pianist José Gallardo oder die Pianistinnen Lauma Skride und Alice Sara Ott im Auftrag von „Rhapsody In School“ ehrenamtlich an ihren freien Vormittagen in Schulen. Die jungen Zuhörerinnen und Zuhörer sollen motiviert werden, selbst ein Instrument zu erlernen oder auch mal ein abendliches Klassikkonzert zu besuchen. „Rhapsody In School“ kooperiert mit renommierten Orchestern, 2014 wurde das Projekt mit dem „Klassik-Echo“ für Nachwuchsförderung ausgezeichnet.

„Ist Klassik cool?“ Dieser Leitfrage geht Schauspieler, Sänger und KiKa-Moderator Malte Arkona auf der Bühne nach. Er führt auf etwas klamaukige Art durch das Programm. Lars Vogt, der an diesem Abend das Konzerthausorchester sowie das Orchester des Musikgymnasiums Carl Philipp Emanuel Bach als Dirigent anleitet, wird mit Fragen um seinen „Dirigentenzauberstab“ gelöchert. Solistin Sharon Kam sensibilisiert mit einem Hörexperiment für die feine Dynamik ihrer Klarinette. Cellistin Tanja Tetzlaff wird mit der Livekamera direkt vor ihrem Auftritt hinter der Bühne abgefangen, um über Lampenfieber zu sprechen – und Solistin Veronika Eberle erklärt das emotionale Streitgespräch ihrer Violine mit Tetzlaffs Cello in Brahms’ Doppelkonzert in a-Moll.

Dass klassische Musik im Falle der Rhapsodie ziemlich populär daherkommen kann, beweist das kurzweilige, sorgfältig konzipierte Programm. Die Form der Rhapsodie steht klassisch für eine nicht formgültige, relativ freie musikalische Verarbeitung von Themen. Oft sind diese dem jeweiligen zeitgenössischen Geschmack entlehnt. Bei Brahms war das etwa die Verwendung von Zigeunerweisen oder Motiven aus der Volksmusik. Tatsächlich wirken die am Abend aufgeführten Stücke alle entfernt bekannt aus Film- und Fernsehen. In ihrer Eingängigkeit rufen sie direkte Reaktionen bei den Zuhörern hervor.

Ein kleiner Junge fängt bei Beethoven begeistert an zu dirigieren

Als das Schicksalsmotiv aus der 5. Symphonie von Beethoven erklingt, fängt ein kleiner Junge begeistert an zu dirigieren, während sein Freund kichernd headbangt. Das Mädchen neben ihnen beginnt, auf ihrem Klappsitz zum Adagio aus Mozarts Klarinettenkonzert träumerisch mitzuschwingen. Und bei Schostakowitschs Cellokonzert in Es-Dur kann schließlich auch der ältere Herr hinter ihnen nicht mehr umhin, vergnügt mit dem Fuß zu wippen und beschwingt mit dem Zeigefinger zu dirigieren.

Auch wenn die Frage, ob Klassik nun cool sei oder nicht, von jedem der Besucher selbst zu beantworten bleibt, werden die Aktualität klassischer Musik und ihre Funktion als generationsübergreifende Kommunikationsform deutlich. „Rhapsody In School“ macht das Populäre in der vermeintlich alten Musik für Kinder erfahrbar. Der Ansturm der jungen Fans auf „ihre“ Stars mit Autogrammkarten im Anschluss an das Konzert zeigt: Das Konzept ist aufgegangen.

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