: Riskanter Kampf gegen Krebs
In Dortmund und Münster startet in dieser Woche das bundesweit erste flächendeckende Programm zur Brustkrebsfrüherkennung. Kritiker sehen bei der Mammographie Gefahr von Fehldiagnosen
VON BARBARA RUPFLIN
Nordrhein-Westfalen ist Vorreiter im Kampf gegen Brustkrebs: Als erstes Bundesland führte die Landesregierung in dieser Woche eine flächendeckende Brustkrebsfrüherkennung ein. Insgesamt 2,2 Millionen Frauen im Alter von 50 bis 60 Jahren sollen bis Mitte 2006 schriftlich zum so genannten „Mammographie-Screening“ eingeladen werden, teilte das NRW-Gesundheitsministerium mit. „Dieses Programm bedeutet einen enormen Fortschritt in der Krebs-Frühkennung“, sagt Walter Heindel, Leiter des Brustkrebs-Referenzzentrums am Uniklinikum Münster. Die Befürworter des Mammographie-Screenings hoffen, mit dem Programm die Sterblichkeitsrate um 30 Prozent zu senken. Kritiker halten das Mammut-Programm für Geldmacherei und warnen vor Fehldiagnosen.
Beim Mammographieren werden Aufnahmen von beiden Brüsten gemacht. Damit die Gefahr von Fehldiagnosen gering bleibt, müssen die Radiologen gemäß einer EU-Richtlinie zum Mammographie-Screening jedes Jahr mindestens 5.000 Aufnahmen auswerten. Zwei Gutachter werten die Bilder aus. Sie können in ein bis zwei Minuten erkennen, ob die Frau Krebs hat. Durch den doppelten Befund müssen die Untersuchten jedoch mindestens eine Woche auf das Ergebnis warten.
In den meisten Fällen lautet auch das Ergebnis der Folgeuntersuchungen: kein Krebs. Trotzdem hält Heindel die Früherkennungsuntersuchung für sehr wichtig. Würden Tumore früh erkannt, seien die Heilungschancen wesentlich besser, erklärt Heindel. „Sehr viele Tumore sind heilbar, wenn sie bei der Entdeckung unter einem Zentimeter groß sind.“ Die meisten Tumore würden jedoch erst erkannt, wenn sie größer als zwei Zentimeter seien.
Für Kritiker des massenhaften Röntgens ist das Screening jedoch zweifelhaft (siehe Interview unten). „Der Nutzen ist eher gering“, sagt Ingrid Mühlhauer, Professorin im Fachbereich Gesundheit an der Universität Hamburg. „Durch das Screening kommt es oft zu so genannten ‚Überdiagnosen‘ und vermehrten Fehlalarmen“, ergänzt sie. Insgesamt würden die Erfolge des Mammographie-Screenings überschätzt.