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CSU will Reptilien ans Leder

Bizarr Wohin mit giftigen Schlangen und syrischen Schildkröten? Eine bayerische Auffangstation steht kurz vor der Pleite. Nach der Flüchtlingskrise droht eine Reptilienkrise

Wo soll diese Maurische Landschildkröte bald leben? Foto: F.: Westend 61/imago

Die Flüchtlingskrise strahlt bis in exotischste Winkel: In einer Erstaufnahmeeinrichtung in Bayern fiel eine Maurische Landschildkröte auf, die von einer Syrerin mitgebracht wurde. An sich eine rührende Geschichte. Eine Besitzerin hängt so sehr an ihrem Tier, dass sie es nicht allein zurücklassen mag und es am eigenen Leib über Tausende Kilometer beschwerlicher Flucht bis nach Deutschland trägt.

Dort angekommen stellt sich allerdings heraus, dass die Genfer Flüchtlingskonvention für Reptilien nun einmal nicht gilt. Die Schildkröte ist eine Illegale, sie hat die notwendigen Papiere nicht, denn die Art ist streng geschützt. Es folgt die Beschlagnahmung. So landet das Tierchen in der Reptilienauffangstation München.

Diese Einrichtung ist auf solche Fälle spezialisiert. Während normale Tierheime in aller Regel mit Reptilien überfordert sind, steht in München ein Team von Spezialisten bereit, die sich auch exotischsten Getiers kompetent annehmen. Die als eigener Verein firmierende Station entstand einst aus der tierärztlichen Fakultät der Universität heraus und ist bis heute in ihren Räumlichkeiten untergebracht. Die allerdings schon lange nicht mehr für diese Aufgabe geeignet sind, abgesehen davon, dass die Uni dort gern wieder Studierende statt Reptilien unterbringen würde.

Entsprechend logisch schien es, dass Vertreter der bayerischen Regierung der Station zurieten, ein neues Grundstück zu erwerben, um die zunehmend unhaltbaren Zustände mit einem Neubau aus der Welt zu schaffen. Der Verein tat, wie ihm geheißen, aber jetzt zeigt die Politik ihm plötzlich eine lange Nase: kein Geld im Nachtragshaushalt. Durch die vertragliche Bindung aber muss der Verein im kommenden Frühjahr 200.000 Euro für Erschließungskosten zahlen, die er nicht hat – die Insolvenz wäre unausweichlich, Tausende herrenloser Reptilien wären noch viel herrenloser.

Bizarrerweise harrt ein beachtlicher Teil der Tiere gerade aufgrund der Gesetzeslage in der Auffangstation aus. Gefährliche Reptilien wie Giftschlangen oder Schnappschildkröten dürfen normalerweise nicht weitervermittelt werden, auch geschützte Arten wie die syrische Flüchtlingsschildkröte unterliegen strengen Auflagen, von potenziellen Faunenverfälschern wie den einst massenhaft eingeführten und jetzt zu Hunderten in der Station her­umpaddelnden Rotwangenschmuckschildkröten ganz abgesehen.

Der Staat schafft also Gesetze, in deren Konsequenz Tiere in der Auffangstation landen, weigert sich dann aber, die Kosten dafür zu tragen. Man bemühe sich, so verkündete die Landesregierung nun, die Tiere in Zoos unterzubringen. Das allerdings ist völlig illusorisch, die Kapazitäten gibt es nicht.

Bleibt zu hoffen, dass die Landesregierung sich den Sachzwängen am Ende beugt, ehe der humanitären auch noch eine Reptilienkrise folgt. Nicht, dass am Ende die AfD noch gegen morgenländische Schildkröten protestieren geht.

Heiko Werning

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