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KUNST

KunstBeate Schederschaut sich in Berlins Galerien um

In der Öffentlichkeit zu weinen sei keine gute Idee für Frauen, behauptet die Ratgeberliteratur gerne. Jana Euler sieht das anders. Bei ihr ist es gar eine weibliche Jesusfigur, Titelgeberin ihrer Ausstellung „Female Jesus crying in public“ in der Galerie Neu, die am Kreuz hängend Krokodilstränen vergießt. In den Häusern im Hintergrund schluchzen Männer, sie jedoch ganz privat, halb verborgen hinter Gardinen. Verkehrt hat Euler aber nicht nur die Rollen in ihrer Version der Leiden Christi, auch ihre Frankfurter Skyline hängt kopfunter. Ist es eine Antwort auf Baselitz’ Vorliebe für verdrehte Perspektiven und auf seine noch viel verdrehteren Ansichten zu Künstlerinnen? Wie sehr dieser mit seiner Einschätzung, Frauen seien die schlechteren Maler, falsch liegt, führt Euler in der Schau zweifelsohne vor, sie präsentiert eine Bandbreite von Gemälden, zwischen denen man auf Flugzeugsitzen hin und her rollen kann – Esokitschiges, Emojis, Hyperrealistisches, einsame Herzen aus Geschlechtsteilen – die kaum wirken, als stammten sie von ein und derselben Künstlerin (bis 3. 2., Linienstr. 119abc, Di.–Sa. 11–18 Uhr).

In einer eigenartigen Welt aus Zeichen und Formen findet man sich bei Arratia Beer wieder. Claudia Wieser hat sie assoziativ aus ihrem visuellen Archiv zusammengestellt, das sie seit Jahren mit Bildern antiker Skulpturen, archäologischer Funde oder architektonischer Räume bestückt. Man könnte das symbolträchtige Ensemble aus vergoldeten und stählernen Objekten, mit bunten Kacheln beklebten Pfeilern, aus Spiegelflächen zusammengesetzten Wandbildern und digital bedruckten Tapeten für Relikte einer Kultstätte aus unbestimmbarer Zeit halten oder für mysteriöse Requisiten eines Bühnenstücks. Nur ausdenken muss man sich dieses selbst (bis 23. 1., Potsdamer Str. 87, Di.–Sa. 12–18 Uhr).

Das Museum für Fotografie zeigt in der von Vera Tollmann kuratierten Ausstellung „Seen by 5. Exponential Anything“ Arbeiten von UdK-Studierenden aus den Klassen Pryde, Steyerl und de Campo. Thema: die Demystifizierung digitaler Bilder und Technologien. Pauline Niedermayer stellt einer Fotografie von UN-Soldaten auf dem Mount Bental an der syrisch-israelischen Grenze (einst syrische Festung, heute israelisch und mittlerweile Touristenattraktion) algorithmisch verknüpfte Bilder gegenüber, wie sie Google zusammensucht. Petja Ivanova hat Kristalle auf Elektroschrott gezüchtet, Harry Sanderson aus Eyetracking-Aufnahmen ein Acrylrelief 3-D-gedruckt, das ein gespenstisches Sinnbild über das Sehen und Gesehenwerden an die Wand wirft (bis 10. 1., Jebensstr. 2, Do. 10–20, Fr. 10–18, Sa. 11–18 Uhr).

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