: Punkrock für alte Säcke
Konzert Peter Hein und Fehlfarben glänzten im Lido mit weiser Altersironie
Wie geht man als in Ehren ergrauter Sänger einer Rockband damit um, dass man alt geworden ist? Am besten ist wohl, man versucht es mit ein wenig Selbstironie. Peter Hein, der vor bald vierzig Jahren erstmals auf einer Bühne stand, hat aus dem Sich-nicht-so-tierisch-ernst-Nehmen eine kleine Kunstform gemacht, die er beim Konzert seiner Band Fehlfarben im Lido zum Besten gab.
Als es mal ruhiger wurde und eine Ballade gespielt wurde, sprach Hein vom „Punkrock für alte Säcke“, und da er sich gerade auf den Knien befand, scheinbar ergriffen von der Macht der zarten Töne, erzählte er, dass er eigentlich jedes Mal, wenn er sich aus der Hocke in den Stand begebe, danach direkt zur Apotheke rennen müsse wegen der Gelenkschmerzen.
Was bleibt einem wie Hein mit seiner Geschichte aber auch anderes übrig, als über sich selbst Witze zu machen? Eigentlich ist er ja längst der geworden, der er, damals als junger Punk und Teil der Düsseldorfer Szene rund um den Ratinger Hof, bestimmt niemals werden wollte.
Irgendwo ist er ja auch eine Art Schlagersänger, was deutlich wurde, als am Ende des Fehlfarben-Konzerts zur Zugabe dann eben doch noch „Ein Jahr (Es geht voran)“ gespielt wurde, der Latschdemo-Klassiker schlechthin, der dazu beigetragen hat, dass man bei den Fehlfarben nie so genau weiß, ob das eigentlich die Band ist, die mal von Claudia Roth gemanagt wurde.
Gleichzeitig vermittelten einem Peter Hein und Band aber auch das Gefühl, dass es ihnen inzwischen so dermaßen egal ist, was alles in sie hineinprojiziert wird. So wenig wie Slayer je wieder ein „Reign in Blood“ hinbekommen werden, egal was auch immer sie anstellen, so wenig werden die Fehlfarben je wieder eine Platte wie „Monarchie und Alltag“ herausbringen können. Auch diese Tatsache wurde von Peter Hein ironisiert, als er einen relativ neuen Song mit den Worten ankündigte, er wisse ja sehr gut, dass viele im Publikum die neuen Songs seiner Band sowieso nicht mögen würden.
Erfolgeiches Comeback
Die Band weiß auch sehr wohl, dass ihre popgeschichtlich relevanteste Zeit längst hinter ihr liegt, doch falls dieses Wissen jemals wirklich eine Hypothek für sie war, inzwischen ist es das ganz offensichtlich nicht mehr. Nach ihrem überraschend erfolgreichen Comeback Anfang des Jahrtausends mit der Platte „Knietief im Dispo“ veröffentlicht die Band regelmäßig weitere Platten, und jedes Mal hört sie dasselbe: Früher waren die Texte aber besser und die Musik erst recht. Dann fragt sie nur: „Na und?“, macht weiter, tourt weiter, und auch das Lido war bei ihrem Konzert letztendlich wieder gut gefüllt.
Auch die aktuelle Platte der Fehlfarben, „Über ... Menschen“, kann textlich nicht mit jungen Bands wie Schnipo Schranke mithalten und musikalisch nicht mit Die Nerven, und trotzdem bieten die Fehlfarben keine trostlose NDW-Revival-Freakshow, sondern sind immer noch eine okaye Band, einigermaßen im Hier und Jetzt, und das kriegen wirklich nicht viele hin.
Die Band bot im Lido nicht nur ihren obligatorischen Gang-of-Four-Gedächtnis-Funk-Punk, sondern da war dieser grummelige, fast dubbige Bass von Michael Kemner, mal etwas Reggae, mal sogar etwas Dancefloor-Beats aus dem Synthie von Frank Fenstermacher. Die Fehlfarben demonstrierten, dass sie mehr sind als eine reine Retroband für alt gewordene Punkfans. Dass „Grauschleier“ nicht knallte wie eine Kanye-West-Produktion, das kann man ihnen ja nun wahrlich schwer vorwerfen.
Am Ende des Konzerts lief der große Fehlfarben-Klassiker „Paul ist tot“ mit den berühmten Textzeilen „Was ich haben will, das krieg ich nicht, und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht“ in einer krachigen, ziemlich intensiven Version. Was für eine großartige Musik! Was für ein super Text! Am Ende war es dann natürlich schon so wie erwartet: Man wollte jetzt unbedingt noch einmal „Monarchie und Alltag“ hören.
Andreas Hartmann
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