Exklusiv in der taz: Die besten Hamburger Buswerbungen des Jahres 2015: „Pack mit an.“
AM RAND
Klaus Irler
Das Jahr darf nicht gehen, ohne dass vorher ordentlich zurückgeblickt wird. Am liebsten sind mir die Rückblicke in Form einer Hitliste. Am besten können das die Kulturleute mit ihren CDs und Büchern und die Sportler mit ihren Trainern und Spielern. Meine Jahresrückblick-Hitliste möchte ich den Werbungen auf den HVV-Bussen widmen. Zu einer Top-Ten-Liste hat es nicht gereicht, aber hier sind meine Top Drei.
Auf Platz drei landet der Slogan „Transparenz ist unsere Stärke“. Als ich ihn sah, dachte ich erst, es gehe um Olympia, und das Internationale Olympische Komitee macht einen Witz. Aber so war es nicht. Die Werbung gehörte zu einer Glaserei, die ohne erkennbare Ironie mitteilen wollte, dass sie durchsichtiges Glas im Angebot hat. Also richtig stark durchsichtiges Glas. Ich habe leider nicht behalten, wie die Glaserei heißt, sonst hätte ich das gerne an dieser Stelle noch mal weitergegeben. Für alle, deren Glas die Transparenz fehlt.
Platz zwei bekommt der Deutsche Handwerkskammertag für den Slogan „Die Welt war noch nie so unfertig. Pack mit an.“ Ich verstehe den Slogan so, dass es überall auf der Welt Baustellen gibt, und zwar mehr als früher. Das hat offenbar eine Zählung des Handwerkskammertags ergeben. Man könnte einwenden, dass es zum Beispiel 1945 auch viele Baustellen gab auf der Welt. Aber die Handwerker meinen wahrscheinlich eher so was wie die Elbphilharmonie oder die Hafencity.
Die traurige Wahrheit ist, dass die Baustellen heutzutage solche sind, auf denen Politiker, Militärs und Banker zugange sind. Es sind Baustellen, auf denen keine Kräne stehen. Von diesen Baustellen gibt es tatsächlich viele auf der Welt, und der Slogan müsste eigentlich lauten: „Die Welt war noch nie so fertig. Pack mit an.“
Auf Platz eins steht der Immobilienmakler, dessen Werbeslogan lautet: „Marquardt & Noack. Ihr Makler in den Elbvororten“. Der Prozentsatz der HamburgerInnen, die niemals einen Makler in den Elbvororten in Anspruch nehmen werden, dürfte bei weit über 99,9 Prozent liegen. Marquardt & Noack kann es nicht darum gehen, Kunden zu gewinnen, die wollen nur sich selbst und der Welt den eigenen Reichtum zeigen. Und dann wundern sie sich, dass ihr Image so unterirdisch ist.
Tatsächlich fällt mir keine Dienstleistung ein, bei der die Diskrepanz zwischen Leistung und Honorar so groß ist wie bei Maklern. Spielerberater in der Bundesliga vielleicht. Aber davon gibt es bundesweit vermutlich so viele wie Marquardt & Noack Kunden haben. Und der Witz ist: Weder die Spielerberater noch die Elbvorort-Makler und ihre Kunden wird man häufig in HVV-Bussen treffen.
Immerhin habe ich den Marquardt-&-Noack-Bus lange nicht mehr gesehen. Gerade zum Jahreswechsel geht es auf Hamburgs Bussen wieder bodenständig zu: Abfallentsorgung, Supermärkte, Einrichtungshäuser. Was man halt so braucht, wenn das Alte geht und das Neue anfängt. Es ist die Zeit, die keinen Stoff für Hitlisten liefert. Danke dafür und: Gute Fahrt!
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