: Vorn hinter den Kulissen
FESTIVAL Schon zum vierten Mal organisiert der Verein „Integration durch Kunst“ internationale Begegnungen junger Theaterschaffender, die für gut eine Woche gemeinsam leben und arbeiten. Thema dieses Jahr: Flucht
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von Andreas Schnell
Was haben Russland, die Ukraine, Weißrussland, Tschechien und Lettland gemeinsam? Klar: eine jahrzehntelange gemeinsame Geschichte innerhalb eines Staatenbündnisses, das sich um 1990 herum aus der Weltgeschichte verabschiedete.
Was seinerzeit von der restlichen, nun ja, zumindest aber der westlichen Welt als Beginn eines güldenen Zeitalters der Freiheit gefeiert wurde, brachte im Gefolge nicht nur innerhalb der ehedem kommunistisch geheißenen Gesellschaften, sondern auch zwischen ihnen manche Verwerfung mit sich, deren zumindest und vorläufig letzte die Ukraine-Krise ist.
Dass die Feindschaft politischer Herrschaften untereinander nun oft genug zu entsprechenden Ressentiments (wenn nicht Schlimmerem) ihrer Untertanen führt, ist dabei immer wieder zu beobachten und im Übrigen auch unerlässliche Basis für kriegerische Handlungen zwischen den Parteien.
Umso wertvoller ist es deshalb, wenn sich Menschen um Begegnungen verdient machen, nicht nur, aber auch zwischen Angehörigen von Nationen, die sich nicht so sonderlich grün sind. Seit vier Jahren sorgt der gemeinnützige Verein „Integration durch Kunst“ für solcherlei Völkerverständigung. Im Betrieb des Theaters 11, das immer wieder mit integrativen Projekten antritt, drückt sich das sozusagen auf der Binnenebene aus, wenn es beispielsweise um die Friktionen zwischen Deutschen Bürgern mit und ohne Migrationshintergrund geht, aber auch darum, nach Bremen geflüchteten Menschen ein wenig kulturelle Teilhabe zu ermöglichen.
Das Festival „Kultur on Tour“, das in diesem Jahr zum vierten Mal stattfindet, leistet seinen Beitrag auf der Butenebene, will den Dialog ankurbeln. Dafür reisen am 2. Januar rund 60 Theaterschaffende aus, eben, Russland, der Ukraine, Weißrussland, Tschechien und Lettland nach Bremen, um gut eine Woche lang gemeinsam zu leben und zu arbeiten.
Wie schon in den vergangenen Jahren stehen die Begegnungen auch in diesem Jahr unter einem inhaltlichen Gedanken, in diesem Jahr geht es vom 2. bis 10. Januar um das Thema Flucht, das allerdings in den Aufführungen, die im Theater 11 zwischen dem 4. und 10. Januar zu sehen sind, nicht ausschlaggebend sein wird. „Im Vordergrund steht, was hinter den Kulissen stattfindet“, erklärt Kira Petrov vom Verein „Intergration durch Kunst“. „Es werden viele Workshops stattfinden – von Schauspiel über Pantomime und Tanz bis zum Make-up. Eine bunte Mischung.“ Neben den Workshops sollen sich die jugendlichen Künstlerinnen und Künstler aber auch auf ästhetischer Ebene kennenlernen. Jede Gruppe bringt deshalb ein Stück mit, das im Theater 11 aufgeführt wird. Übrigens, zum besseren Verständnis, auf Russisch. Die Vorstellungen sind derweil zwar öffentlich, aber es könnte sehr schnell sehr voll werden im kleinen Theatersaal, weil die Festival-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer schließlich lebhaftes Interesse daran haben dürften, wie in den jeweils anderen Ländern Theater gespielt wird.
Damit von den Begegnungen möglichst wenig ablenkt, findet der wesentliche Teil der Begegnungen übrigens in ländlicher Abgeschiedenheit statt: Ein Schullandheim bei Syke bietet genug Platz für die internationale Schar, die, das findet Petrov besonders wichtig, auch etwas mit nach Hause nimmt. „Wir wollen alle zusammen einen Kurzfilm zum Thema Flucht drehen“, sagt Kira Petrov. Der soll am Samstag, den 9. Januar gezeigt werden, bevor am 10. Januar mit einer Gala Abschluss gefeiert wird.
Veranstaltungen im Theater 11:
Montag, 4. 1., 15.30 Uhr: „Norway Today“ – Theater Parallel (Weißrussland); 17.30 Uhr: „Hinter verschlossenen Türen“ – Theater 1 (Bremen)
Dienstag, 5. 1., 15.30 Uhr: „Weihnachtsabenteuer von Aschenputtel“ – Jugendtheater Phoenix (Lettland); 17.30 Uhr: „Medea“ – Theater Parallel
Mittwoch, 6. 1., 15.30 Uhr: „Lorca. Träume“ – Theater Müsli (Russland)
Freitag, 8. 1., 15.30 Uhr: „Valentinstag“ – Splash (Ukraine)
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