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"Einfach nur für das Sein"

EINKEHR Im Rotes Kreuz Krankenhaus gibt es einen "Raum der Stille" für alle Weltanschauungen

Birgit Wille

47, ist Pastorin und arbeitet als evangelische Seelsorgerin im Rotes Kreuz Krankenhaus.

taz: Warum braucht es im Rotes Kreuz Krankenhaus (RKK) einen „Raum der Stille“, Frau Wille?

Birgit Wille: Nicht nur das RKK braucht ihn – viele Krankenhäuser, aber auch Universitäten oder Flughäfen haben mittlerweile so einen Raum. Für die PatientInnen ist das eine gute Sache: In einem Krankenhaus wird sonst immer nur ge- oder behandelt, dieser Ort aber ist einfach nur für das Sein bestimmt. Ein weiterer Aspekt: Wenn muslimische PatientInnen ihrer Verpflichtung zu mehrmaligem Gebet am Tag nachgehen möchten, dann haben sie im „Raum der Stille“ einen passenden Ort dafür. Ich bin dem Krankenhaus sehr dankbar, dass es dieses ehemalige Untersuchungszimmer zur Verfügung gestellt hat.

Ist das also ein religiöser Ort?

Ja und nein! Es kann ein Gebetsraum sein: Muslimische BesucherInnen finden dort einen Waschraum und Gebetsteppiche vor, wer möchte, kann dort auch die Bibel lesen. Der Raum der Stille steht aber allen Menschen offen, egal, welchen Glauben oder welche Weltanschauung sie haben. Man kann dort einfach Platz nehmen, zur Ruhe kommen, meditieren, beten, sich sammeln, nachdenken – und zwar rund um die Uhr. Die BesucherInnen sollen ihn im Geist der Toleranz und des gegenseitigen Respektes nutzen. Ich verstehe mich als Anwältin von allen, die Religion und Spiritualität leben wollen.

Wie sieht der Raum aus?

Der Bremer Tischler Henrik Hölbe hat speziell für diesen Ort einen flachen Balkentisch aus über 100 Jahre altem Eichenholz gebaut. Man erkennt noch den Baum, aus dem er gemacht wurde, er erzählt von der Geschichte des Hauses, das er gestützt hat. Der Tisch kann für Christen die Assoziation für einen Altar sein. Man kann den Raum also, wenn man will, mit religiösen Symbolen füllen, aber er ist dennoch offen für alle. Man kann ihn auch stundenlang einfach nur anschauen und die Gedanken schweifen lassen.

Wird der Raum denn auch angenommen?

Ich höre das immer wieder, ja, kann aber nicht sagen, wie viele Menschen ihn nutzen.

Interview: Jan Zier

Sankt-Pauli-Deich 24, 2. Stock

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