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"Ein verzweifelter Akt der Behörden"

Betroffene Die derzeitigen Abschiebungen aus Deutschland richten sich gegen die Roma, sagt der Aktivist Džoni Sichelschmidt

Foto: dpa
Džoni Sichelschmidt

floh Mitte der 1990er Jahre vor den Kriegen im damaligen Jugoslawien nach Deutschland. Nach Jahren als Aktivist des Rom e. V. in Köln arbeitet er heute als Bildungsberater für Roma- und Sintikinder an Schulen im Hamburger StadtteilSt. Pauli.

taz: Herr Sichelschmidt, die deutschen Bundesländer haben begonnen, abgelehnte Asylbewerber verstärkt abzuschieben. Wer ist davon betroffen?

Džoni Sichelschmidt: Man kann davon ausgehen, dass über 80 Prozent der Leute, die vor der Abschiebung stehen, Roma aus sogenannten sicheren Drittstaaten sind, also aus Albanien, Bosnien, Serbien, Kosovo und anderen Ländern des Westbalkans. Und von diesen 80 Prozent sind wiederum 80 Prozent Frauen und Kinder.

Stehen vor allem Migranten vor der Abschiebung, die dieses Jahre nach Deutschland gekommen sind, oder auch Leute, die schon länger hier leben?

Es trifft sowohl Leute, die gerade erst angekommen sind, als auch solche, die schon über 10, 15 oder sogar 20 Jahre hier leben, ohne einen festen Aufenthaltsstatus erhalten zu haben. Das Ganze ist ein verzweifelter Akt der deutschen Behörden, der einheimischen deutschen Bevölkerung zu zeigen, dass trotz der vielen Flüchtlinge, die dieses Jahre nach Deutschland gekommen sind, auch abgeschoben wird. De facto geht es nur um circa zwei Prozent aller Flüchtlinge. Ihre Abschiebung hat für die Gesamtsituation gar keine Bedeutung.

Was erwartet die Menschen in den Ländern, in die abgeschoben wird?

Nicht nur die Kinder und Jugendlichen unter ihnen, die längst Deutsch als ihre Sprache angenommen haben, werden in für sie fremde Ländern abgeschoben. Auch die Erwachsenen sind ja meist schon in den 1990er Jahren aus dem damaligen Jugoslawien geflohen. Dort ist heute, nach den Kriegen, quasi nichts mehr so wie damals. Sie haben dort nicht nur keine Familien, sondern jetzt, mitten im Winter, auch keine Wohnungen, wo sie unterkommen könnten. Das Ganze richtet sich gegen die Roma, auch wenn die Behörden behaupten, deren ethnische Zugehörigkeit spiele für die Abschiebung keine Rolle, es gehe ausschließlich um die Staatsbürgerschaft.

Was erwartet die Abgeschobenen in den Herkunftsländern?

Eine unmenschliche Situation: Die meisten werde unter Brücken und auf Mülldeponien landen. Kein Teil Exjugoslawiens hat sich bisher von den Kriegen erholt, zudem befinden sich ja auch dort viele Flüchtlinge aus Syrien und so weiter, die eigentlich nach Europa wollten. Die meisten abgeschobenen Roma werden dort nicht einmal registriert werden. Sie haben dort keinerlei Perspektive.

Was werden die Leute tun?

Viele werden versuchen, auf dem schnellsten Weg wieder nach Deutschland zu kommen. Ihre Kinder sind hier aufgewachsen und sozialisiert, in den Herkunftsländern erwartet sie nicht als unmenschliche Lebensumstände. Und wenn sie hier keine legale Perspektive geboten erhalten, dann werden sie illegal hier bleiben.

INTERVIEW Rüdiger Rossig

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