„Seit Hertha auf Platz drei der Tabelle steht, reibt sich Fußball-Deutschland verwundert die Augen“

Das bleibt von der Woche Die Dino-Manie wirft Fragen nach anderen Fossilien auf, der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat erstmals das Vorkaufsrecht in einem Milieuschutzgebiet angewandt, Hertha ist in der Bundesliga auf Platz drei gerückt, und Martin Delius ist aus der Piratenpartei ausgetreten

Aber so
was von museumsreif

FOSSILIEN-Tamtam

Ein Braunkohlebagger aus einem Lausitzer Tagebau wäre ein schönes Exponat

Mit großem Tamtam hat das Naturkundemuseum am Mittwoch das Skelett eines Tyrannosaurus Rex präsentiert. Das 66 Millionen Jahre alte Vieh mit dem albernen Namen „Tristan Otto“ bekommt eine dreijährige Sonderausstellung. „Tristan – Berlin zeigt Zähne“ heißt diese und wird massenweise Dino-affines Publikum in einen eigens dafür gestalteten Saal locken.

Ein eigener Saal nur für 170 Knochen? Das ist so überdimensioniert wie unterkomplex. Das Publikum über die Handwerkskunst der Präparatoren staunen zu lassen oder zu Mutmaßungen über Tristans Veränderung im Unterkiefer einzuladen – War’s ein Tumor oder ein Ab­szess? –, das ist so was von gestern!

Warum nicht die grassierende Sauriermanie nutzen, um auf andere museumsreife Fossilien hinzuweisen? Das wäre doch ein zeitgemäßer, klima­bewusster ­Ausstellungsansatz: So ein Braunkohlebagger etwa, wie er in der Lausitz immer noch im Tagebau eingesetzt wird, wäre doch ein schönes Exponat. Riesenhaft, mit schaurig-scharfen Zackenrädern und gürteltierhaften Transportbändern, würde so eine Maschine gut neben Tristan passen. Dazu könnte man ein paar eindrucksvolle Farbaufnahmen von den kratergleichen Förderlandschaften in Brandenburg aufhängen.

„Schaut mal, diese Dinger haben früher den Boden zerstört, die Landschaft verschandelt und das Trinkwasser mit Sulfaten verseucht“, würden Eltern dann ihren Kindern erklären. Wohliges Schaudern. „Gut, dass es all diese Dinge nicht mehr gibt.“ Warum man früher Kohle aus der Erde holte, statt Windparks zu bauen, wäre in so einer Ausstellung der Zukunft eine beliebte Kinderfrage. Solange in der Lausitz aber noch gebaggert wird, reicht unser fossiler Erlebnishorizont nur für ein simples: „Boaaah, is der Dino aber groß!“ Nina Apin

Ein starkes und wichtiges Zeichen

Vorkaufsrecht zum Ersten

Jetzt gilt es, den Rückenwind zu nutzen, das Instrumentarium zu verbessern

Am Donnerstag hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg erstmals das Vorkaufsrecht im Mi­lieu­schutzgebiet angewandt. Um Verdrängung zu verhindern. Kann man nun feiern? Oder ist dieses Vorkaufsrecht, um lebenswerte Innenstädte zu retten, nicht ein ziemlich zahnloser Tiger?

Es geht hier um den Vorkauf von Häusern zum Verkehrswert. Das ist der Preis, der in einer Gegend „im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre“. Nun werden Milieuschutzgebiete jedoch nie dort ausgewiesen, wo die durchschnittlichen Preise niedrig sind, sondern da, wo eine Aufwertungsspirale längst greift. Dazu kommt, dass dieses Instrument mit so vielen Fußfallen behaftet ist, dass Bezirke, die versuchen es anzuwenden, ziemlich oft scheitern. Acht Wochen Frist – um ein Verkehrswertgutachten zu stemmen, einen Käufer zu finden, die Finanzierung zu klären. Und hinterher droht das Aus dann oft vor Gericht.

Ist die frohe Botschaft deshalb nur viel heiße Luft? Wer all das böse interpretiert, könnte sagen: eine klassische Nebelkerze. Ein Politiker verspricht Gutes, mit Mitteln, von denen er weiß, dass sie unzulänglich sind. Misslingt es, ist man ja trotzdem der Gute gewesen. Bald ist Wahlkampf. Also alles mehr Schein als Sein?

Das ist es nicht. Denn den Anstoß zu allem haben die Hausgemeinschaft und ihre Nachbarschaft gegeben. Das Inanspruchnehmen des Vorkaufsrechts ist ein starkes und wichtiges Zeichen. Nicht dafür, dass sofort alles gut werden wird. Aber dafür, dass ein berechtigtes Interesse von Mietern, vor den freien Kräften eines spekulativen Markts geschützt zu werden, nicht nur laut artikuliert, sondern auch wahrgenommen wird.

Die Bezirke können daran nicht mehr vorbei. Auch der Senat nicht. Und das ist gut. Gerade vor dem Wahlkampf. Jetzt gilt es, den Rückenwind zu nutzen und das Instrumentarium zu verbessern. Ein Fonds auf Senatsebene für solche Käufe wäre gut. Verkürzte Verfahren für Verkehrswertgutachten. Die Ideen müssen noch ausgearbeitet werden. Tina Veihelmann

Hertha
kann sogar
Pokal

Höhenflug geht weiter

Trainer Dardai sprach nach dem Spiel von „Gänsehautstimmung“

Wie die Gemütslage bei der Hertha gerade ist, mag am ehesten ein T-Shirt verdeutlichen. Gleich nach dem souveränen 2:0-Erfolg im Achtelfinale des DFB-Pokals in Nürnberg haben es sich die Herthaner übergestreift. „Schon Weihnachten, und wir noch im Pokal“ war darauf zu lesen. In der Bundesliga auf Platz drei und auf Cham­pions-­League-­Kurs, im Pokal dem großen Traum, Finale im heimischen Olympiastadion, ein Stück näher gerückt. Das kann doch nicht wahr sein.

Ist es aber. Schon der starke 4:0-Sieg zuletzt in Darmstadt hat gezeigt, dass die Berliner von Trainer Pal Dardai bestens auf den Gegner eingestellt waren. Statt überheblich zu agieren, stellte sich die Mannschaft um Dauerrenner Vladimir Darida der Aufgabe mit Herz und Verstand. Ähnlich gingen die Berliner am Mittwoch in Nürnberg zu Werke. Im Anschluss sprach Dardai sogar von einer „Gänsehautstimmung“. In den Jahren davor war Pokal eher zum Heulen.

Spätestens seitdem Hertha auf Platz drei der Tabelle steht, reibt sich Fußball-Deutschland verwundert die Augen, und in den überregionalen Medien fragen sich Reporter, die sich sonst darüber lustig machen, wie wenig die biedere Hertha zum hippen Berlin passe, wie es dazu kommen konnte. Die Antworten scheinen dabei nicht immer zu überzeugen. An der Fitness liege es, sagt Dardai. An Dardai liege es und seiner Fähigkeit, taktisch variabel spielen zu lassen, sagen andere. An den klugen Neuzugängen, meinen Dritte und loben damit auch Manager Michael Preetz, der nach zwei Abstiegen schon als Depp der Liga gehandelt wurde. Aber reicht das alles, um zur Überraschungsmannschaft der Bundesligasaison 2015/2016 zu werden?

Auch die Fans scheinen der neuen Hertha noch nicht recht zu trauen. Der Vorverkauf für das letzte Spiel im Jahr am Sonntag gegen Mainz läuft schleppend, erwartet werden 40.000 Zuschauer. Mit dann durchschnittlich 48.000 Zuschauern pro Spiel liegt der Zuschauerschnitt bei Hertha damit unter dem der vergangenen Jahre und sogar unter dem im Abstiegsjahr 2012. Allerdings kommen die Großen – Dortmund und Bayern – auch erst in der Rückrunde ins Olympiastadion.

Wo wird die Hertha dann stehen? Das wird am Ende wohl weniger der Tabellenplatz als die Spielkultur entscheiden. Spielen die Berliner weiterhin, wie es Dardai nennt, anständigen Fußball? Dann ist da was am Entstehen – auch wenn es am Ende nicht fürs internationale Geschäft reicht. Die 500 T-Shirts, die den Pokalerfolg in Nürnberg feierten, waren übrigens in kürzester Zeit vergriffen. Uwe Rada

Was ist
schon ein Parteibuch?!

Delius ist kein Pirat mehr

Lässt sich Delius für die Landespolitik retten? Vielleicht sogar übergangslos?

Nun ist also auch Martin Delius raus. Der politisch wohl profilierteste Pirat Deutschlands hat die Partei verlassen. Am Montag twitterte der Vorsitzendes des BER-Untersuchungsausschusses ein Bild von seinem zerstörten Mitgliedsausweis. „Ich habe keine Lust mehr, mich für das Gebaren von Piraten zu rechtfertigen“, schrieb Delius dazu.

Mindestens 7 der 15 Mitglieder der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus besitzen damit kein Parteibuch mehr. Und es kann gut sein, dass es noch weitere sind: „Die Mitgliedschaft fragen wir nicht ab“, hatte Fraktionschef Delius im Sommer der taz gesagt. Denn: „Das ist auch nicht relevant.“

Die Partei sieht das ein bisschen anders. Sie weint dem 31-Jährigen gleich mehrere Tränen nach: „Überraschend“ sei der Austritt gekommen, auch wenn sich der Schritt „seit einiger Zeit angedeutet“ habe; man danke „aufs Herzlichste für seine tadellose und den Grundsätzen des Wahlprogrammes 2011 verpflichtete Arbeit“.

Tatsächlich hatte Delius mit den Piraten schon zu Zeiten des erwähnten Interviews im Sommer längst abgeschlossen: Den Bundesparteitag im Sommer besuchte er nicht, weil er im Urlaub war; eine Zusammenarbeit mit der Partei gebe es zwar irgendwie noch, aber die Fraktion sei autonom, sagte er. Und dass es im Herbst 2016 mit der Fraktion nicht weitergehe im Abgeordnetenhaus, sei unwahrscheinlich.

Tatsächlich ist also das Ende der Beziehung zwischen dem Fraktionschef und seiner Partei kein Drama und kein Ereignis: Es ist schlicht ein weiteres Zeichen des unaufhaltsamen Niedergangs der Piraten. Dass es dennoch gewisse Wellen schlägt, liegt vor allem daran, dass in anderen Parteien ein Austritt in der Regel den Rauswurf aus der Fraktion zur Folge hat. Doch das galt nie für die Piratenfraktion, nicht mal zu Zeiten, als man sich noch gut mit der Partei verstand.

Die spannendere Frage ist vielmehr: Lässt sich Delius für die Berliner Landespolitik retten? Vielleicht sogar übergangslos? Der Fraktionschef will sich zwar nicht auf eine Politikerkarriere festlegen, aber noch ein bisschen mitzumischen auch in der etablierten Politik, dieses Interesse wird ihm schon nachgesagt. Aber auch, dass er wählerisch sei und nicht jede Oppositionspartei attraktiv finde. Wer nimmt sich also seiner an? Zuletzt war Delius Gast auf dem Landesparteitag der Linken. Und wirkte dort ganz zufrieden.

Bert Schulz