: Das Winter-Camp
Notunterkünfte Mitten im Gewerbegebiet der Überseestadt entsteht eine winterfeste Zeltstadt für 400 Geflüchtete. Der Flüchtlingsrat kritisiert die Form der Unterbringung als „improvisiert“
Geflüchtete müssen auch über Winter in Zelten statt in Wohnungen leben. Derzeit werden zehn winterfeste Zelte für Geflüchtete in der Überseestadt errichtet. Seit Ende November laufen die Bauarbeiten. Von den insgesamt 400 Geflüchteten sollen die ersten noch vor Weihnachten einziehen.
„Zeltbauweise kann man fast nicht mehr sagen“, sagt Peter Schulz von Immobilien Bremen, die den Bau durchführen. Es sei eine „neue Qualität der Zelte“: Sie verfügten über eine eigene Heizung, abgeschlossene Räume und Fenster, ergänzt Schulz. Somit wären die Zelte auch für die kalte Jahreszeit geeignet. Die Unterkünfte böten „den Umständen entsprechenden adäquaten Wohnkomfort“, heißt es von Immobilien Bremen.
Dennoch ersetzten sie nicht vollständig die Sommerzelte, die noch im Einsatz sind, erläutert Bernd Schneider vom Sozialressort. 1.300 Geflüchtete leben momentan in Unterkünften, die für den Sommer vorgesehen sind. „Die Kapazitäten der winterfesten Zelte reichen nicht aus“, sagt Schneider, „auch die Notunterkunft am Überseetor bleibt bestehen.“
Die Beschlagnahmung von leerstehenden Immobilien für Geflüchtete schließt er dennoch aus. Es gebe kaum geeigneten Leerstand für Zwangsbelegungen. Außerdem würde der Umbau von freien Gebäuden etwa sechs Monate brauchen. Der Bau von winterfesten Zelten sei unbürokratischer und schneller als Beschlagnahmungen, erklärt Schneider.
Kritik kommt vom Bremer Flüchtlingsrat: „Bremen improvisiert weiterhin, auf Kosten der Lebenssituation von Geflüchteten“, sagt Sprecher Marc Millies: „Zelte sind immer Improvisation und von Mangel geprägt.“ Auch in Kabinen für vier Personen gebe es nicht genügend Privatsphäre. Geflüchteten müsse das Recht auf privaten Wohnraum gegeben werden, sonst verhindere man ein selbstbestimmtes Leben. Der Flüchtlingsrat fordert die Unterbringung in Wohnungen.
Den Standort wählte das Sozialressort. Eine Freifläche mitten in der Überseestadt. Flächen in einer solchen Größe „in einem reinem Wohngebiet zu finden“ sei nicht möglich, erklärt das Ressort und ergänzt: Die Überseestadt „liegt mitten drin“ und sei gut angebunden. Andere Unterkünfte in der Überseestadt zeigten eine gute „Einbindung in die Nachbarschaft“.
Die Trägerschaft übernimmt die Innere Mission. Obwohl bis Weihnachten die ersten Flüchtlinge einziehen sollen, seien noch keine Details wie etwa der Personalschlüssel mit dem Träger abgestimmt. Diese „können noch gut geklärt werden“, sagt das Sozialressort. JSO
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen