: Für die gute Laune im Werk
Champions League Der VfL Wolfsburg feiert mit dem 3:2-Heimsieg gegen Manchester United und dem Einzug ins Achtelfinale seinen größten internationalen Erfolg
aus wolfsburg Peter Unfried
Fuck. Fuck. Fuck. Kaskaden von Fuck ergossen sich in der Nacht zum Mittwoch über die brave Wolfsburger Innenstadt. Mit diesem meistgenutzten Wort der nordenglischen Arbeiterschaft ist aus Sicht von Manchester United das Wesentliche zum 2:3 beim VfL Wolfsburg gesagt.
Das Ausscheiden aus der Champions League markiert das Stadium, in dem sich der englische Rekordmeister befindet: Die Zeit als Topteam der obersten europäischen Kategorie ist seit 2011 vorbei und hat mit dem Trainer Louis van Gaal noch nicht wieder angefangen. Routine mit entscheidenden Spielen paarte sich in der VW-Arena mit Unreife und fehlender Balance. Von der viel gerühmten Defensivstabilität war wenig zu sehen, von dem statistisch belegten Mangel im Offensivspiel dagegen einiges. Es habe sich im Lauf der Gruppenphase gezeigt, dass United zwar der „große Name“ sei, „aber nicht diese Übermannschaft“, sagte Wolfsburgs Geschäftsführer Klaus Allofs in der Mixed Zone. Das wusste er vorher sicher auch schon.
Eine Übermannschaft ist der VfL Wolfsburg durch diesen Gruppensieg und das Erreichen des Achtelfinales auch nicht. Aber es war ein Saisonziel und ist der bisher größte internationale Erfolg der VW-Tochter bei der zweiten Teilnahme an der Champions League. Allofs wird das bei seinem Versuch, kontinuierlichen Fortschritt nachzuweisen, am Saisonende auf der Plusseite verbuchen können.
Wobei man deutlich sehen konnte, dass United nicht auf dem Niveau agierte, wie Thomas Tuchels Borussia Dortmund drei Tage zuvor. Anders als gegen dessen strategischen Powerfußball hatte die VfL-Offensive gegen van Gaals betuliche Kontrollversuche die Zeit, um verteidigend und gestalterisch tätig zu werden. Julian Draxler sah mit seinem Speed und seinem federleichten Spiel aus wie einer, der auf hohem Niveau den Unterschied machen kann. Und den machte er tatsächlich. Wie er Vieirinhas 2:1 (29.) mit Solo plus Doppelpass vorbereitete: So was hat man in Wolfsburg seit Kevin De Bruynes Abschied nicht gesehen.
Einen kleinen Anteil hatte auch Andre Schürrle, der den Treffer mit einem der strategisch üblichen Seitenwechsel einleitete. Schürrle kann nichts dafür, dass Allofs über 30 Millionen Euro Ablöse für ihn bezahlt haben soll, für den ähnlich guten Caligiuri dagegen nur 2,5. Aber das schwingt halt immer mit. Schürrle ist nun mal keiner, der das Ding nimmt, wenn es gilt, und es einfach reinhaut. Stand jetzt, haut er es drüber (3., 64.) oder auf den Keeper (67.). Aber er hat Speed, Laufstärke, Disziplin, Teamspirit. Und auch Biss. Er muss viel wegstecken, und das tut er. „Er hat jetzt die Erfolgserlebnisse mit der Mannschaft, jetzt wünsche ich ihm, dass er das eine oder andere Tor macht“, sagt Allofs.
Womit wir bei Naldo wären. „Diese Nacht werden wir nie vergessen“, sagte der Innenverteidiger. Monatelang war er bei jedem ruhenden Ball nach vorn geeilt und unverrichteter Dinge wieder zurück. Diesmal traf er doppelt (13., 84.). Einmal volley per Fuß und laut Eigenbeschreibung „wie Giovane Elber“. Einmal mit dem Kopf. Wie Naldo. Vor allem: jeweils direkt nach den United-Toren (Martial, 10., Eigentor Guilavogui, 82.).
So etwas gehört bei allem Einstudieren zu den Unwägbarkeiten des Spiels, es ist Ausdruck der Defizite von United, aber es ist auch ein Bestandteil der Klasse des Ronaldo Aparecido Rodrigues, 33, die ihn die meisten Stürmer kontrollieren und die meisten Innenverteidiger überragen lässt. Der Deutsche aus dem nordbrasilianischen Londrina ist amtierender Exzellenzspieler des VfL, Draxler könnte auch einer werden. Man wird sehen.
Und dann ist da ja noch die Frage, wie sich die Image- und Erlöskrise von Besitzer Volkswagen auf den derzeitigen Investitionsrahmen von offenbar 100 Millionen Euro auswirkt. Man habe sich klar zum VfL bekannt, sagte VW-Manager und VfL-Aufsichtsratschef Francisco Garcia Sanz, als er aus der Kabine zurückkam: „Es wäre Quatsch, mit solchen Fragen die gute Stimmung zu betrüben.“ Wichtig sei: Die VW-Arbeiter würden nun mit guter Laune zur Arbeit gehen. Hallen ab sofort im Tunnel zum Werksgelände Kaskaden von „Hurra“? Auch das wird man sehen müssen.
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