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Auf kolonialen Spuren

Kollektivschuld In Berlin erinnern viele Orte an den Kolonialismus. Ein Rundgang durchs Afrikanische Viertel

Im Café Fredericks in Berlin-Wedding läuft weihnachtlicher Smooth Jazz. Christian Kopp, ein 47-jähriger Historiker mit Vollbart, stellt seinen Milchkaffee auf den Tisch und deutet auf ein Gemälde an der Wand. Es zeigt den Namenspatron des Cafés, Cornelius Fredericks, der in einem deutschen Konzentrationslager ermordet wurde. Nicht im Nationalsozia­lismus, sondern 1907 in der Lüderitzbucht in der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“. Sowohl diese Bucht als auch die Straße, an die das Café grenzt, sind nach dem Kaufmann Adolf Lüderitz benannt, der als einer der ersten Deutschen Land in Afrika beanspruchte und damit als Begründer des deutschen Kolonial­wesens gilt.

„Straßennamen sind nicht nur Erinnerung, sondern auch Ehrung“, sagt Kopp mit etwas Milchschaum im Bart. Er ist Mitarbeiter des Vereins Berlin Postkolonial, der die Kolonialgeschichte aufarbeiten will. Die Mitglieder fordern, dass Straßen, deren Namen an Kolonialgrößen erinnern, nach schwarzen BürgerrechtlerInnen benannt werden. Die Lüderitz- würde dann zur Fredericksstraße.

Draußen in der Kälte bleibt Kopp vor der Schrebergartenanlage „Togo“ stehen. „Bis vor Kurzem hieß die noch ‚Dauerkolonie Togo‘“, erzählt er. Ein Erfolg seines Vereins. Die Anlage wurde 1939 gegründet – um den Deutschen Lust auf Imperialismus zu machen. „Die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte kommt in Deutschland zu kurz, weil sich alle auf den Nationalsozia­lismus konzentrieren“, meint Kopp. Viele Deutsche wollten sich nicht zusätzlich zum Holocaust auch noch für die kolonialen Verbrechen verantwortlich fühlen.

Während er zwischen den Gärten hindurchschlendert, erzählt er, dass es viel Widerstand gegen Umbenennungen gibt: „Die Straßennamen etwa sind für Menschen, die schon lange hier wohnen, Teil ihrer Identität.“ Die Ablehnung geht teils so weit, dass schwarze Vereinsmitglieder offen angefeindet und Gruppen bei den Rundgängen angepöbelt werden.

Mnyaka Sururu Mboro ist gebürtiger Tansanier, Mitbegründer von Berlin Postkolonial und bietet selbst Führungen an: „Es gibt kaum Bemühungen, die gemeinsame Geschichte aufzuarbeiten.“ Er fordert etwa die Rückgabe der Gebiete, die die Nachfahren der Kolonialherren noch immer für sich beanspruchen. „Ohne das Land meines Großvaters bin ich nichts.“ Es macht ihn außerdem wütend, dass in Berliner Museen noch Tausende Gebeine lagern, die zu rassistischen Forschungszwecken hergebracht wurden. „Die Wunde ist noch nicht geheilt, das tut wirklich weh.“

Deutsche Kolonialgeschichte

Kolonien: Das Deutsche Kaiserreich betrachtete von 1884 bis 1919 wechselnde Gebiete in Afrika und Südostasien als ihre Kolonien. Die Deutschen beuteten dort die Rohstoffe aus und unterdrückten und versklavten ungezählte Menschen.

Verbrechen: In „Deutsch-Südwestafrika“ schlugen die Besatzer einen Aufstand der Herero und Nama nieder und töteten mehr als 54.000 Menschen. Erst im Juli 2015 erkannte die Bundesregierung das Massaker als Völkermord an. Die Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstands in „Deutsch-Ostafrika“ kostete mehr als 250.000 Menschen das Leben.

Haben die Deutschen also eine Art Kollektivschuld? Christian Kopp zögert: „Ich rede lieber von Verantwortung. Wir haben keine Schuld an dem, was passiert ist, sind aber dafür verantwortlich, wie wir mit dem Erbe umgehen.“ Sein Verein fordert deshalb auch, dass die deutsche Kolonialgeschichte in Schule und Medien nicht länger vernachlässigt wird.

Sören Götz und Christoph Hedtke

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