zwischen den rillen: Ein Ausrufezeichen im Game
Little Simz: „A Curious Tale of Trials“ (Age 101/Rough Trade)
Little Simz lässt sich nicht verbiegen, und sie lässt sich auch nichts sagen. Den Hype um ihre Person hat die 21-jährige Afrobritin durch zehn Free-Download-Projekte in vier Jahren ganz allein erzeugt. Vor Kurzem legte sie endlich ihr Debütalbum vor.
Majorlabels standen bei der zielstrebigen Rapperin aus dem Londoner Norden, die bürgerlich Simbi Ajikawo heißt, spätestens seit letztem Jahr Schlange. Doch ihr Debütalbum „A Curious Tale of Trials + Persons“ veröffentlichte sie schließlich auf ihrem eigenen Label Age 101 und generierte die finanziellen Mittel über Sponsoringdeals.
Das Londoner Studio von „Red Bull Music“ durfte sie für die Aufnahmen umsonst benutzen, parallel dazu unterschrieb sie im Musikverlag des Konzerns. Dass sie von dem aktuellen, späten Hype um britische Grime-Rapper wie Skepta profitieren könnte, ist zumindest auch denkbar.
Präzis getaktete Reimsalven
In ihrer Technikversessenheit erinnert Little Simz allerdings eher an ihren britischen Kollegen Kano, der Mitte der nuller Jahre als größtes Rap-Talent Europas galt. Mit enormer Leichtigkeit setzt die Künstlerin präzise getaktete Doubletime-Salven, reimt in komplexen Patterns, arbeitet spielerisch mit Emotionen und Druck in ihrer Stimme und singt zudem ganz passabel.
Kein Wunder, dass Little Simz nun die Anerkennung von jenen Platzhirschen des Rapgame zuteil wird, die sich primär als Autoren und nicht als Animateure begreifen: Kendrick Lamar, A$AP Rocky oder J. Cole outeten sich bereits als Fans. Im Gegensatz zu Nicki Minaj, die reimtechnisch zwar brillant rappt und von ihren männlichen Kollegen geschätzt wie gefürchtet wird, lässt sich Little Simz keinesfalls auf eine sexuelle Projektionsfläche reduzieren.
Ihr Geschäftssinn ist ausgeprägt, ihre künstlerische Vision stark und Little Simz ist sich ihrer Fähigkeiten absolut bewusst. Das Album, mit dem sie sich erstmals einer breiteren Öffentlichkeit jenseits von HipHop-Foren und Musikblogs vorstellt, enthält nicht eine einzige Mitsing-Hookline, nicht einen Eurotrash-Stampfbeat und auch keine der handelsüblichen Zutaten, die man ihr bei den großen Plattenfirmen eingeredet hätte. Stattdessen greifen ihre Produzenten, darunter das in Berlin lebende Talent IAMNOBODI, auf die zeitgemäßen Drum-Figuren von Trap zurück und verbinden sie mit dramatischen Orchester-Arrangements.
Der Sound orientiert sich an den aktuellen Produktionen des TDE-Camps um Kendrick Lamar, das sich wiederum auf die klassische Outkast- und Dungeon-Family-Schule bezieht. Wo allerdings Outkast und TDE eine soulig-jazzige Wärme erzeugen, bleibt der Sound auf Little Simz’ Album düster, kalt und abstrakt. Und die Sprache, die Little Simz verwendet, ist unverschlüsselt und direkt. Ihre Performance ist alles.
„A Curious Tale of Trials + Persons“ ist ein unbequemes, ein hartes Werk, aber es ist auch ein persönliches Werk. Simbi Ajikawo spricht primär mit und über sich selbst: Die Londonerin erzählt – zumindest auszugsweise – ihre Geschichte, stellt sich ihr Leben vor, wenn es anders verlaufen wäre („Gratitude“) und behauptet immer wieder ihre Stellung und ihren Anspruch in der Rap-Welt. Für ein HipHop-Debüt ein überschaubarer, dennoch ausreichender Themenkosmos.
Bevor es langweilig zu werden droht, ob all der bewusst zur Schau gestellten und damit natürlich auch schon wieder bewusst inszenierten Authentizität, ist das Little-Simz-Debütalbum nach fünfunddreißig Minuten schon zu Ende. Was ihrem Stil noch fehlt, ist vielleicht der herausragende Song und ein Quäntchen Selbstironie. Aber ihr Ausrufezeichen hat Little Simz auf jeden Fall gesetzt.
Stephan Szillus
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