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Das Referendum zur Olympia-Bewerbung wird scheitern. Das sagt mir mein Gefühl, das vom Stadtrand her kommtIm Angesicht der Medaille

Am Rand

Klaus Irler

Foto: privat

Eines muss man der Hamburger Olympia-Bewerbung lassen: Sie ist ein tolles Small-Talk-Thema. Zum Referendum kann jeder etwas sagen, weil jeder ein Gefühl dafür hat. Das Referendum wird gefühlsmäßig entschieden, schon allein deshalb, weil es von den Fakten so wenig und den Hoffnungen und Ängsten so viel gibt. Vermutlich ist es kein Zufall, dass das Logo der Bewerbung, also dieses flammenartige „U“, so aussieht wie ein Fragezeichen, das auf dem Kopf steht.

Mein Gefühl sagt mir, dass das Referendum scheitern wird. Es ist ein Gefühl vom Stadtrand her, das nicht erst nach den Anschlägen von Paris entstanden ist. Hier am Stadtrand, in Niendorf-Nord, ist die Bewerbung erst spät präsent geworden: Von einem auf den anderen Tag waren überall die Werbeplakate des Senats. Weil es in Niendorf-Nord nicht so viele Plakate gibt, waren sie auch nicht zu übersehen. Sie drängten sich auf und das Problem ist, dass das Aufdrängen schnell nach Verzweiflung aussieht, wenn man es übertreibt.

Trotzdem wollte ich es genauer wissen und ging zu einer Olympia-Werbeveranstaltung des Niendorfer TSV im Bistro Adyton, wo die Currywurst mit Pommes auch abends 5,90 Euro kostet. Sechs Referenten saßen da vor rund 20 Besuchern, von denen der Großteil aus dem naheliegenden Seniorenwohnheim gekommen sein dürfte.

Der Pressewart des Niendorfer TSV schwärmte davon, dass er kürzlich zum ersten Mal mit einer olympischen Medaille zusammen in einem Raum gewesen sei. Ich dachte, ich höre nicht richtig, aber er meinte das ernst: Die Nähe der leibhaftigen Medaille hatte ihn nachhaltig begeistert. Er klang wie ein wallfahrender Katholik, dem die Mutter Gottes erschienen war.

Ebenso ins Grübeln brachte mich der referierende Sportfotograf, der zugleich Mitglied der Deutschen Olympischen Gesellschaft ist. Der Sportfotograf sagte, dass 2024 wieder Europa als Austragungs-Kontinent dran sei und dass die Spiele niemals in Afrika stattfinden würden, denn: „Die Afrikaner haben Schwierigkeiten mit der Abwicklung. Das hat mit deren Mentalität zu tun.“ Dann schwärmte er von der Völkerverständigung bei den Spielen. Rassismus und Völkerverständigung scheinen bei Olympia nahe beieinanderzuliegen. Ich ging vor Veranstaltungsende wieder heim.

Mitgenommen hatte ich allerdings eines der Panini-Sammelalben zur Bewerbung. Tatsächlich kann man auch in Niendorf-Nord die Bilder dazu kaufen. Ich fragte zwei Zeitschriftenhändler, wie es so läuft mit dem Verkauf. „Besser als erwartet, aber es kaufen nur alte Leute, keine Kinder“, sagte der Eine. „Geht so“, sagte der Andere.

Aus dieser Gemengelage heraus glaube ich also, dass das Referendum scheitern wird. Die Hamburger werden Schwierigkeiten mit der Abwicklung haben. Das muss an deren Mentalität liegen. Hoffentlich.

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