: Für Tänzerinnen mittleren Alters
Kultur Lange gehörten sie zum Ensemble des Choreografen Urs Dietrich – nun machen zwei Frauen ihr eigenes Ding und haben sich auch künstlerisch emanzipiert
Sie waren viele Jahre das Gesicht des Bremer Tanztheaters: Magali Sander Fett und Frauke Scharf repräsentierten den Stil des Choreografen Urs Dietrich. Doch als der Schweizer 2012 das Bremer Theater verließ, nach 15 Jahren und 27 Choreografien, da endete auch das Engagement der beiden Tänzerinnen. Und dann? Stellen für Tänzerinnen mittleren Alters sind rar.
Also haben sie, zusammen mit Tomas Bünger und Mirosław Żydowicz – auch die gehörten lange Dietrichs Ensemble an – das TanzKollektiv Bremen gegründet. Und mit dem stellen sie nun einiges auf die Beine, wenn auch nicht in Serie, nicht in Dauerpräsenz. Ihre jüngste Produktion heißt „Schweres Wasser“, von Freitag bis Sonntag lief sie in der Schwankhalle, nächstes Jahr im September wird sie wieder dort zu sehen sein – nach einer Elternzeit. Frauke Scharf hat für ihr Leben nach dem Tanz aber schon vorgesorgt: Sie studierte nebenbei Geografie und arbeitet seit dem letzten Jahr am Alfred-Wegner-Institut in Bremerhaven. Magali Sander Fett war hingegen als Performerin nochmal am Theater Bremen zu sehen, und auch in einer Schauspielproduktion.
„Schweres Wasser“ basiert auf den „Wassererzählungen“ von John von Düffel, der fast zehn Jahre in Bremen gelebt hat und heute einer der am meisten gespielten deutschen Gegenwartsautoren ist. Und hier zeigt sich schon einer der ersten Unterschiede dieser Produktion zu einer von Urs Dietrich. Der wollte mit seinen Stücken nie Geschichten erzählen. Dafür zeichneten sie sich stets durch einen nüchternen, abstrakt-minimalistischen Stil aus, durch formale Strenge, Beständigkeit.
Bei „Schweres Wasser“ merkt man, dass nun Samir Akika der neue stilprägende Hauschoreograf des Bremer Theaters ist: Frauke Scharf und Magali Sander Fett experimentieren mit Sprechtheater und skurrilen Bühnenaufbauten, mischen verschiedene Performanceelemente. So sehr, dass der klassische moderne Tanz bisweilen arg in den Hintergrund gerät. Zwischendurch kommt „Schweres Wasser“ sogar ganz ohne Tanz und Tänzerinnen aus, arbeitet allein mit Video. Und von der Musik hat sich die Choreografie auch weitestgehend befreit, nur hin und wieder tauchen kleine atmosphärische Klangfetzen auf. Magali Sander Fett und Frauke Scharf beweisen große Lust am Experimentieren, auch wenn das nicht immer gelingt und nicht ohne Längen auskommt.
Nur für jene, die den in Bremen sehr beliebten Urs Dietrich-Stil vermissen, ist der Abend ungeeignet. Jan Zier
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