Die Sache mit der Haltbarkeit
: Ein großes Lob dem BND

Foto: Isabel Lott

Kolumne Bernhard Pötter

Wir retten die Welt

Im Einkaufswagen lagen schon Tomaten und Weißbrot, aber ich musste zwischen der Milch, dem Geflügelsalat und dem Mozzarella nochmal rückwärts einparken. Da krachte ich im Edeka meines Vertrauens an der Ecke fast in ein anderes Shoppingmobil. „MHD erreicht, Preis reduziert!“, hatte der nette Eigentümer auf das Schild am Einkaufswagen geschrieben – nicht ahnend, was der Hinweis auf das Mindesthaltbarkeits­datum bei mir auslöste.

Denn sofort schlug der Geizreiz zu: Wenn ich den Joghurt für die Hälfte bekomme, den die Kinder ohnehin sofort essen, warum nicht? „Weil“, sagte der Bio-Engel in meiner rechten Hirnhälte, „er kein Ökoprodukt ist“. „Na und?“, provozierte der konventionelle Teufel in der linken Hirnhälfte, „aber dafür wird er sonst weggeschmissen. Das ist viel schlimmer für die Ökobilanz.“

Wegen solcher Debatten zwischen meinen Hirnhälften bin ich ein Fan des heutigen Tages. Sie wissen es nicht und haben doch schon wieder mal alles falsch gemacht, wenn Sie heute diese Zeitung gekauft haben (ich weiß, das sollte ich nicht schreiben). Denn am heutigen Freitag ist der weltweite „Buy Nothing Day“. Ausgerufen von Konsumkritikern weltweit, sollen wir am „Kaufnix-Tag“ 24 Stunden nichts einkaufen. „Escape the Shopocalypse! Spend the Day without Spending“ ist das Motto der Aktion, die regelmäßig am Wochenende nach Thanksgiving ausgerufen wird – weil da der Wahnsinn des Weihnachtsgeschäfts vor allem in den USA richtig zuschlägt.

Sie haben wieder alles falsch gemacht, als Sie diese Zeitung gekauft haben

Ich bin ein großer Fan des BND, wie er bei den Angelsachsen heißt. Überall auf der Welt versammeln sich Menschen, die etwas gegen Konsum als Lebensinhalt haben. Sie besetzen öffentliche Plätze, zerschneiden Kreditkarten, bieten Beratung fürs Nichtshoppen oder schieben leere Einkaufswagen durch Supermärkte. Ich komme dazu, über die Frage nachzudenken, ob der Bioghurt oder der abgelaufene Normaloghurt besser sind. Oder wie eigentlich die Öko- und Sozialbilanz aussieht, wenn man beim Edeka über die Straße konventionell einkauft – oder am Samstag mit dem Touareg zum Bio-Hofladen vor die Stadt fährt? Oder wie sehr ich es hasse, als angeblich „mündiger Verbraucher“ Etiketten in Minischrift zu studieren, um zu sehen, ob das Müsli aus dem Atomkraftwerk kommt.

Schön, mir fällt die Konsumkritik leicht. Ich habe eine Al­ler­gie gegen Kaufhäuser. Ich suche gern Lebensmittel aus, aber Shopping in Malls macht mich fertig. In Nordkanada oder Süd-Arabien, wo wegen Kälte oder Hitze das Leben in Einkaufszentren stattfindet, würde ich mit die Rocher-Kugel geben. Ich bin die totale Spaßbremse beim Erlebniseinkauf, noch der reaktionärste Kirchenmann hat meine Unterstützung, wenn er gegen verkaufsoffene Sonntage wettert. Bleibt auf dem Sofa, lest ein Buch, steckt euer Geld nicht in Kram, der zu Hause nur rumsteht.

Unser Konsum ist das Monster, das keiner anspricht. Wir Deutsche haben trotz Energiewende und Mülltrennung einen ökologischen Fußabdruck wie ein Brontosaurus. Wir preisen uns – ab nächsten Montag wieder zwei Wochen lang bei der Klimakonferenz in Paris – als Vorbilder an und leben ein Modell vor, das so nicht funktio­niert. Dabei steht auf der hübschen und recyclefähigen Verpackung unseres Way of Life nicht mal in Minischrift, sondern ganz deutlich: „Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen“.