piwik no script img

Führender Terrorist stirbt im Kugelhagel

AttentäTer Abbaoud soll zahlreiche Anschläge organisiert und viele junge Menschen für den Dschihad rekrutiert haben

5.000 Schuss – jetzt droht das Haus bei Paris einzustürzen

Aus Paris Rudolf Balmer

Der mutmaßliche Organisator der Terroranschläge von Paris ist tot. Wie die Staatsanwaltschaft jetzt bestätigen konnte, ist einer der beiden bei der Polizeirazzia in Saint-Denis getöteten Personen Abdelhamid Abaaoud. Er konnte aufgrund seiner Fingerabdrücke zweifelsfrei identifiziert werden, obwohl sein Körper bei der Erstürmung durch eine Elitetruppe der Polizei von unzähligen Schüssen durchlöchert wurde und völlig unkenntlich war.

Die Ermittler wollten zunächst keine voreiligen Angaben zu den beiden Toten und den fünf Festgenommenen von Saint-Denis machen. Bereits begann man in Paris zu befürchten, dass es Abaaoud einmal mehr gelungen sein könnte, durch das Netz der Terroristenjäger zu schlüpfen.

Auch die junge Frau, die bei der Explosion ihres Sprengstoffgürtels gestorben ist, wurde identifiziert. Ihr Name wird mit Hasna Aitboulahcen (26) angegeben. Sie war eine Cousine von Abaaoud. Ungewollt hat sie mit ihren Mobiltelefongesprächen offenbar die Polizei auf die Spur von Abaaoud und seinen Komplizen gebracht, weil sie offenbar bereits im Zusammenhang mit einem Drogendelikt abgehört wurde.

Laut dem Pariser Staatsanwalt François Molins besteht angesichts der gefundenen Waffen und Ausrüstung kein Zweifel, dass die in Saint-Denis ausgehobene Gruppe weitere Anschläge verüben wollte. Bei der Razzia am frühen Mittwochmorgen wurden zunächst drei Verdächtige festgenommen. Zwei andere – wie man jetzt weiß, Abaaoud und Ait Boulahcen – leisteten aber lange und heftigen Widerstand. Laut Staatsanwaltschaft gaben die Beamten nicht weniger als 5.000 Schüsse ab, wodurch das Haus im Zentrum von Saint-Denis jetzt einzustürzen droht.

Mit Abdelhamid Abaaoud hat die Organisation „Islamischer Staat“ einen besonders gefährlichen Terroristenchef und Anführer europäischer Dschihadisten in Syrien verloren. Dort ließ er sich gern für Propaganda filmen. Auch seinen erst 13-jährigen Bruder Younes soll er rekrutiert haben, der angeblich seither umgekommen sein soll. Abaaoud wurde internationale gesucht. Er war der belgischen Polizei wegen Diebstahls, Drogenhandels und eines Banküberfalls zusammen mit dem heute weiterhin gesuchten Terroristen Salah Abdeslam bekannt.

In Molenbeek bei Brüssel scheint er aber auch andere Junge Menschen für den Dschihad und terroristische Verbrechen rekrutiert zu haben. Laut Erkenntnissen der französischen und belgischen Behörden hatte er insbesondere Kontakt zu Mehdi Nemmouche, der im Mai 2014 den Mordanschlag auf das Jüdische Museum von Brüssel verübt hatte. Er gilt aber auch als Auftraggeber für andere Attentatspläne in Europa, namentlich den gescheiterten Angriff auf eine Kirche in Villejuif bei Paris und den TGV Thalys von Amsterdam nach Paris in diesem Jahr. Innenminister Bernard Cazeneuve teilte mit, Abaaoud stehe hinter mindestens vier von sechs in diesem Jahr vereitelten Attentaten.

Aus der Türkei und den USA waren die Pariser Behörden kürzlich gewarnt worden, dass es Abaaoud trotz aller Kontrollen gelungen sei, aus Rakka in Syrien nach Europa zu reisen. Er hatte noch genug Zeit und Komplizen, die Anschläge vom 13. November zu organisieren.

Parallel zu den Ermittlungen in Frankreich ging auch die Fahndung in Belgien weiter. Ein belgischer Journalist erklärte gegenüber dem Fernsehsender LCI, er habe Informationen, wonach sich Salah Abdeslam, der mithilfe von Freunden aus Molenbeek entkommen konnte, immer noch in der Region Brüssel aufhalte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen