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Gute Aussicht auf Wiedervereinigung

Zypern Die Verhandlungen zur Gründung eines gemeinsamen Bundesstaats auf der seit Jahrzehnten geteilten Insel kommen erstaunlich gut voran. Das letzte Wort aber hat der türkische Präsident in Ankara

Aus Nicosia Klaus Hillenbrand

Das weiß-rote Flaggenpaar auf der Stadtmauer von Nikosia oberhalb des historischen Paphos-Tors steht neuerdings auch bei Windstille stramm. Die Behörden der Türkischen Republik Nordzypern haben die Symbole ihres Machtanspruchs – die Fahne der Türkei neben der ihres international nicht anerkannten Landes – durch Modelle aus Blech ersetzt. Darunter, auf der Demarkationslinie, wirbt das Kaffeehaus „Spitfire“ seit 41 Jahren vergeblich um Gäste. Das Lokal ist seit der Teilung Zyperns geschlossen. Im Inneren gestapelte Sandsäcke versperren den Eingang.

Doch die blechernen Flaggen könnten schon bald auf den Müll der Geschichte wandern. Zum ersten Mal seit dem gescheiterten Einigungsversuch zwischen dem griechischen Süden und dem türkischen Norden vor elf Jahren steigen die Chancen, dass das Land wieder vereint wird. Beobachter zeigen sich optimistisch wie seit Jahrzehnten nicht. Manch einer hofft, dass es schon im März nächsten Jahres zu einem Referendum über die Gründung eines gemeinsamen Bundesstaates kommen könnte.

Regierungsvertreter der griechisch geprägten Republik Zypern sind zwar bemüht, allzu große Euphorie zu bremsen. Doch auch einer ihrer Diplomaten, der anonym bleiben wollte, bestätigt große Fortschritte bei den Gesprächen. Der zyperngriechische Präsident Nikos Anastasiades und sein zyperntürkischer Kollege Mustafa Akıncı treffen sich regelmäßig, besuchen gemeinsam Kneipen und Theatervorstellungen und vermitteln den Eindruck, dass sie tatsächlich gewillt sind, den gordischen Knoten zu entwirren.

Die Demarkationslinie, die sich quer durch die Altstadt Nikosias zieht, sie steht noch, aber ihre Barrikaden wirken weniger bedrohlich. Mancher Stuhl in den gut besuchten Restaurants steht nur noch Zentimeter von den Sandsäcken entfernt; der Fußgängerverkehr über den Checkpoint an der Ledrastraße ist auf beiden Seiten rege. Die „grüne Linie“, die früher einmal den Süden vom Norden hermetisch abgeschlossen hat, wirkt zunehmend wie eine in die Jahre gekommene Theaterkulisse. Diplomaten geben sich die Klinke in die Hand. Am Dienstag war Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Nikosia und bestärkte Anastasiades und Akıncı in ihren Anstrengungen. US-Außenminister John Kerry hat einen Besuch angekündigt.

Der Optimismus speist sich aus zwei Quellen. Südlich des EU-Mitglieds Zypern haben Geologen reiche Erdgasfelder geortet, die von Zypern, Israel und Ägypten ausgebeutet werden sollen. Ein Transport des Gases per Pipeline nach Europa aber wäre nur über die Türkei möglich, und das ist angesichts der Teilung Zyperns undenkbar. Zugleich legt Ankara Wert darauf, an den Erlösen beteiligt zu werden.

Zum Zweiten sind mit dem konservativen Anastasiades und dem linksliberalen Akıncı derzeit zwei Pragmatiker an der Macht, die sich wenig um nationalistische Aufwallungen kümmern. Vor elf Jahren, beim gescheiterten Annan-Plan, hatte der damalige zyperngriechische Präsident Tassos Papadopoulos noch dafür gesorgt, dass seine Griechen die Wiedervereinigung im Referendum abblockten. Nun scheint eine Mehrheit auch unter den Griechen für eine Einigung in greifbarer Nähe.

Die „grüne Linie wirkt längst wie eine abgenutzte Theaterkulisse

Ein wesentlicher Stolperstein scheint inzwischen ausgeräumt. Wie die taz aus diplomatischen Kreisen erfuhr, ist man sich bei der komplizierten Eigentumsfrage weitgehend einig. Bis zum Krieg 1974, der eine fast vollständige ethnische Separierung zur Folge hatte, glich Zyperns Bevölkerungsverteilung einem Flickenteppich aus Griechen und Türken. Jetzt soll für die Vertriebenen das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ gelten, wobei in jedem einzelnen Fall eine Kommission die konkreten Umstände berücksichtigen soll.

Die Verhandlungspartner haben sich auch auf Grundzüge der Verfassung des Bundesstaats geeinigt. Die Relationen zwischen Griechen und Türken soll in den Verfassungsorganen einerseits auf 1 zu 4 festgelegt werden, andererseits ist in einem Oberhaus ein Verhältnis von eins zu eins vorgesehen. Der jahrzehntelange Streit um türkische Siedler im Norden wurde geräuschlos beigelegt – sie dürfen bleiben.

Doch ein großes Hindernis gilt es noch auszuräumen. Immer noch sind etwa 30.000 türkische Soldaten auf Nordzypern stationiert. Zudem besitzen die Türkei, Griechenland und die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien einen Garantiestatus auf die Insel, der als Recht zum Eingriff von außen interpretiert werden kann. In beiden Punkten können sich die Zyprioten beider Seiten so einig sein wie sie wollen – ohne die Zustimmung der Regierung Erdoğan in Ankara geht gar nichts.

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