piwik no script img

Die letzte Bastion gegen Ungeziefer

Schädlinge Von einst 300 Drogerien sind in Bremen nicht viele übrig geblieben. Der Inhaber von Kilia, seit 1960 im Geschäft, denkt nicht daran, aufzuhören. Egal, um welches Getier es geht: Er weiß Rat

von Andreas Schnell

Als hätte die Political Correctness im Gärtnereiwesen Einzug gehalten, spricht man heute statt von Unkraut vom Beikraut. Anders verhält es sich beim Ungeziefer. Während das präfixlose Geziefer allenfalls noch in der Bibel zu finden ist, wo es Opfertiere wie Schafe und Ziegen bezeichnet, ist das Ungeziefer kaum auszurotten. Und manche Arten kommen sogar zurück, wie die Bettwanze, die in Europa und den USA weitgehend verdrängt worden war. In den letzten Jahren ist sie dank des zunehmenden internationalen Flugverkehrs wieder auf dem Vormarsch.

Wer mit unerwünschtem Getier seine Not hat, kann sich beim Fachpersonal Hilfestellung holen. Heute gibt es dafür allerdings deutlich weniger Anlaufstellen als früher. Der Drogist Wolf Blank von der Kilia-Drogerie im Bremer Steintorviertel erinnert sich, dass es zu Beginn seiner Berufslaufbahn in Bremen noch rund 300 Drogerien gab, die über entsprechende Mittelchen und die dazugehörige Expertise verfügte. Fast alle sind inzwischen von Filialen einschlägig bekannter Ketten verdrängt worden. In Bremen führt der Weg deshalb beinahe zwangsläufig in die Kilia-Drogerie, in der Blank seit 20 Jahren mit Rat und Tat zur Verfügung steht.

Vom Pflanzenschutz bis zur Rattenbekämpfung reicht die Angebotspalette, wobei auffällt, dass die berüchtigte Chemokeule beispielsweise gegen Kakerlaken zwar nach wie vor im Angebot ist, die Industrie allerdings heute auch auf Umweltverträglichkeit setzt. Aus Blättern und Samen des Neem-Baums werden heute Präparate hergestellt, die Ungeziefer unfruchtbar machen, bei Pilzbefall hilft Lebermoosextrakt auf ähnliche Weise.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren die sogenannten Nützlinge. Je nach Schädling werden beispielsweise Nematoden eingesetzt, die den Schädling von innen auffressen. „Wenn keine Wirtstiere mehr da sind, sterben auch die Nematoden ab“, erklärt Blank. Nützlinge sind allerdings unter 10 Grad Lufttemperatur zu wenig nütze – helfen also im Winter nicht weiter. Ganzjährig einsetzbar und gut für die Umwelt sind Klebestreifen mit Lockstoffen, an denen Schädlinge schlicht kleben bleiben. Übrigens gibt es derlei Fallen auch für Motten – die muffige Mottenkugel hat längst ausgedient. Gegen Schnecken hilft Schneckenkorn – eine Art Granulat, das sie austrocknet.

Was derzeit etliche Kleingärtner und -gärtnerinnen umtreibt, sind derweil aber vor allem Kaninchen. Auch hier weiß Blank natürlich Rat: Die Wirkung von „Kaninchen-Stopp“ von der Firma Neudorff beruht vor allem auf Geruchsstoffen wie ätherischen Ölen, die Kaninchen nicht mögen. Um Beete und andere betroffene Anlagen herum gestreut, hält es die Nager langfristig fern, nur bei ausgiebigen Niederschlägen muss häufiger nachgelegt werden. Alternativ können natürlich auch Zäune die Nagetiere von ihrem zerstörerischen Werk abhalten.

Ein Klassiker in der Schädlingsbekämpfung sind Ratten, von denen auf jeden Bremer drei kommen, wie Blank berichtet. Darauf könne man durchaus stolz sein, meint er, denn Berliner hätten immerhin fünf. Hier kann mit Rattenködern Abhilfe geschaffen werden. Die müssen in der Regel fest angebracht werden, damit die Ratten sie auch vor Ort fressen und nicht als Vorrat verstecken. Das darin enthaltene Gift wirkt aber nicht sofort, die Ratten sterben innerhalb einer Woche. „Wenn die sofort sterben würden, wäre die Verwandtschaft sofort alarmiert“, sagt Blank.

Weil sich Ungeziefer wie Schädlingsbekämpfungsmittel weiterentwickeln, muss das Verkaufspersonal alle drei Jahre geschult werden. Auch Blank, der immerhin schon seit 1960 im Geschäft ist, muss da noch mal ran. Deswegen etwa in den Ruhestand zu gehen, sieht Blank nicht ein. Was beruhigend ist, denn allzu viele Anlaufstellen gibt es nicht mehr.

In Bremen sind Schädlingsbekämpfungsmittel außer bei der Kilia-Drogerie noch in Gartenfachgeschäften erhältlich, und auch von denen gibt es in Bremen nicht mehr allzu viele.

Kilia-Drogerie: Vor dem Steintor 43, Bremen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen