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„Zweite Fremdsprache Deutsch“

Willkommenskultur an Schulen Schüler äußern Forderungen an den Senat

Foto: Privat
Mina Zulal

17, ist Zwölftklässlerin am Carl-von-Ossietzky-Gymnasium und Vorsitzende der SchülerInnekammer.

taz: Frau Zulal, ist es nicht die Aufgabe der Stadt, Flüchtlinge angemessen unterzubringen?

Mina Zulal: Für mich spielt das momentan keine Rolle. Es wird dringend Hilfe benötigt und wenn Schüler dazu gute Lösungsansätze haben, wäre es doch nicht sinnvoll, diese zu verbergen. Auch wir sind als Mitglieder der Stadt verantwortlich für Menschen, die in Not sind. Wir glauben, dass wir dazu in der Lage sind, und appellieren an unsere Mitschüler, das auch zu tun, indem sie schauen, was man an der eigenen Schule realisieren könnte.

Macht die Stadt zu wenig für Flüchtlinge?

Ich glaube, dass Hamburg schon viel macht, aber es reicht nicht. Zum Beispiel die Situation der Menschen in Jenfeld, die da in Zelten wohnen, ist nicht mehr lange zu tragen – es sind menschenunwürdige Zustände. Aber was die Menschen am Hauptbahnhof und anderenorts freiwillig leisten, ist beeindruckend.

Ist es gefährlich, Verantwortung so weit zu individualisieren, weil die Verantwortung der Stadt dabei aus den Augen gerät?

Ich sehe das eher als ganz große Chance. In der Schule geht es zwar einerseits um das Erlernen von Dingen, aber auch darum, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen. Der Lehrplan ist wichtig, aber wenn Aufgaben an das reale Leben anknüpfen, und Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, freut es mich.

Welche Ideen gibt es dafür schon?

Wir haben Forderungen an den Senat. Deutsch wird zum Beispiel nicht als zweite Fremdsprache anerkannt – das ist Blödsinn. Die neuen Schüler müssen nicht nur Deutsch und Englisch lernen, sondern noch eine dritte Fremdsprache wie Französisch oder Latein. Das neben den anderen Anforderungen schaffen zu müssen, ist untragbar. Und es müssen viel mehr Sozialpädagogen eingestellt werden, vor allem an Gymnasien. Wir wollen verstärkt eine Willkommenskultur etablieren, in der die SchülerInnen von der gesamten Schule aufgefangen werden.

Haben Sie Angst vor „besorgten Eltern“?

Ich wurde schon häufig mit besorgten Eltern konfrontiert. Ich erkläre denen dann alles ganz ruhig und sachlich. Ich kann natürlich niemanden komplett ändern, am Ende des Tages muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber wenn wir nicht versuchen, Denkanstöße zu geben, können wir ja gleich aufgeben.

Hat sich der Schulalltag verändert, seit viele Flüchtlinge in Hamburg sind?

Es hat sich eine Menge verändert, aber zum Positiven. Wir haben realitätsnahe Situationen. Ich spreche da immer von „echten Projekten“. Man kann viel lernen: Wie geht man mit solchen Situationen um, welchen Einfluss hat das auf mich? Die Schüler übernehmen Verantwortung, wenn sie zum Beispiel Patenschaften übernehmen und Flüchtlingen den Stadtteil zeigen. Ich glaube, dass ist die richtige Richtung zu einer Willkomenskultur. Interview: KSCH

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