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Ein Stimmungshit für die Stimmungskipper

Aua Die Abgeordneten Hakan Taş, Thomas Birk und Fabio Reinhardt singen einen Flüchtlingsschlager

Manchmal soll man ja einfach nur auf sich selbst hören. Auf sein Bauchgefühl. Der Berliner Grünen-Politiker Thomas Birk sagte etwa in einem Interview, man versuche angesichts der Bilder und Tatsachen der Flüchtlingskrise „irgendetwas Sinnvolles zu tun“. Und Fabio Reinhardt, der für die Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt, erklärte, es bestehe mit einem solchen Projekt „die Gefahr, ein ernstes Thema der Lächerlichkeit auszusetzen“. Nun ja.

Das Projekt, von dem die Rede ist, ist ein Schlagersong, den Birk und Reinhardt gemeinsam mit dem Linken-Abgeordnete Hakan Taş, dem Unternehmer Daniel Worat und dem Moderator Donato Plögert aufgenommen haben. Als Band nennen sich die fünf Herren „Five4Refugees“, und mit ihrem Lied und der CD „Sie suchen nach dem Morgen“ wollen sie Spenden für Flüchtlinge einspielen. Am Montag ­haben sie den Song vorgestellt.

Will man es freundlich ausdrücken, würde man sagen: Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel. Hört man diesen Song – beziehungsweise: Schafft man es, ihn ganz zu hören –, mögen einen Schweißausbrüche oder Fremdscham-Attacken plagen. Eher wird man wütend.

Kein Wunder, wenn der blumige Gesang zu im Kreuzfahrtdampfertempo vor sich hintuckernden Ballermannbeats mit folgenden Versen einsetzt: „Jeden Tag sehn wir die Bilder/ Menschen treiben auf dem Meer / ihre Hoffnung ist das Ufer / das für sie die Rettung wär.“ In diesem Stil geht es gut drei Minuten lang weiter.

Es ist natürlich einigermaßen klar, auf welche Klientel die fünf Flüchtlingsfreunde hier abzielen: Man will mit Stimmungshits an die Stimmungskipper, die Pegida-Gefährdeten. Aber es ist natürlich ein riesengroßer Irrtum zu glauben, man käme bei diesem Thema mit Verkitschung oder Weichzeichnung auch nur ein Jota weiter.

Es sind nette Erklärungsversuche, mit der der Grüne Birk und der Pirat Reinhardt das Lied rechtfertigen. Ersterer meint, der Song sei „Geschmacks­sache“, was wohl leider stimmt, und Letzterer zitiert dazu gar Adorno auf seiner Homepage, der wohl das Beste zu dieser Art von „das Gegenteil von gut ist gut gemeint“-Musik gesagt hat, was man sagen kann.

Reinhardt will ihn dann widerlegen – er habe „trotz Adorno“ mitgemacht –, aber es funktioniert nicht ganz. Beim nächsten Mal einfach wieder auf das Bauchgefühl hören. Das weiß manchmal genauso viel wie Adorno. Jens Uthoff

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