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Residenzpflicht für AfD-Landespolitiker

POPULISTEN Die Bundesvorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen sorgen sich um das Image der AfD. Björn Höcke darf für den Landesverband Thüringen sprechen – aber nicht für die Bundespartei

HAMBURG taz | Nach Björn Höckes bisher größtem TV-Auftritt am vergangenen Sonntag bei Günther Jauch hagelt es Kritik aus der eigenen Partei. Der Landtagsfraktionsvorsitzende und Landessprecher der AfD Thüringen sei legitimiert „für den Landesverband zu sprechen, nicht aber für die Bundespartei“, erklärten die AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen in einer E-Mail, die am Mittwochabend an die Parteimitglieder ging. Deren „große Mehrheit“ sei vom Stil des „Auftritts“ nicht angetan, so die beiden AfDler in dem Schreiben, das der taz vorliegt.

Bei Jauch hatte Höcke mit einer Deutschlandfahne in der Hand erklärt, er sei aus „tiefer Liebe zu seinem Land“ in die Politik gegangen. Später gab er an, er verteidige ein „tausendjähriges Deutschland“. Mit den Flüchtlingen würden „wir uns sozialen Sprengstoff“ importierten und „Angstträume deutscher Frauen“ befördern.

Durch solche Aussagen sehen Petry und Meuthen offenbar das anhaltende Umfrage-Hoch der AfD gefährdet. „Bundesweit stehen wir inzwischen bei 7,5 Prozent, einzelne Landesverbände würden zweistellig in Landesparlamente einziehen“, schreiben sie in der Mail. Umso wichtiger sei es, „eine breite Verankerung in der Gesellschaft“ zu erreichen. TV-Auftritte sollten dem „Gewinnen neuer Bevölkerungsschichten“ dienen, nicht der Befriedigung „persönlicher Gefühle unserer eigenen Klientel bzw. besser gesagt eines Teils derselben“.

Petry und Meuthen ist offenbar bewusst, dass Höcke nicht nur in seinem Landesverband starken Rückhalt hat. Ihre Mail könnte einen weiteren Richtungsstreit in der AfD auslösen. Schon in der Auseinandersetzung mit Parteigründer Bernd Lucke war aufgefallen, dass Petry in der Öffentlichkeit die Nähe Höckes mied. Sie unterschrieb die von diesem initiierte „Erfurter Resolution“ nicht, in der er empfahl, die Partei „Widerstandsbewegung“ gegen die „Aushöhlung“ der deutschen Identität“ zu formen, und distanzierte sich von seiner Behauptung, dass nicht alle NPD-Mitglieder als rechtsextrem eingestuft werden könnten.

Einen Auftritt bei einem für den 4. November geplanten AfD-­Aufmarsch in Erfurt sagte die 40-Jährige nun ebenfalls ab. Hier hatte Höcke unlängst die Menge angeheizt, „Wir sind das Volk“ zu skandieren, und erklärt: „Erfurt ist schön deutsch und Erfurt soll schön deutsch bleiben.“ Passend dazu steht in Petry und Meuthens Mitgliedermail, die AfD müsse sich „auch sprachlich deutlich von denjenigen unterscheiden“, die „zu Recht“ vom Diskurs als „Extremisten ausgeschlossen sind“. Deutlicher wurde Höcke von der neuen Bundesführung noch nicht in die weit rechte Ecke gestellt.

Der ließ gestern Mittag über die AfD-Fraktion Thüringen erklären: „Ich habe mit Frauke Petry telefoniert und ihr eine Mail geschrieben. Uns eint die Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik und unser Einsatz für einen Politikwechsel. Wir haben einen gewählten Bundesvorstand, der eine gute Arbeit macht und der in der Lage ist, ein großes Meinungsspektrum innerhalb der AfD zu erhalten. Interne Angelegenheiten regeln wir intern.“ Andreas Speit

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