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„Die leben vom Ren“

DIA-VORTRAG Günter Böttcher gibt Einblick in Leben und Kultur des bedrohten Volks der Kola-Sámi

Foto: wikimedia
Günter Böttcher

71, hat mit seiner Frau Margret 1994 den Verein Lappland-Initiative gegründet, der Beziehungen zwischen Deutschen und Sámi fördert.

taz: Herr Böttcher, wie sind Sie in Kontakt mit der Kultur der russischen Sámi gekommen?

Günter Böttcher: Das war Mitte der 1980er: Meine Frau und ich fahren schon seit gut 40 Jahren zweimal im Jahr nach Skandinavien. Damals hatten wir so eine Hütte in einem Feriendorf am Inari-See, in Finnland, und dorthin kam die Präsidentin der Kola-Sámi zu Besuch.

Kola-Sámi?

Die leben auf der Halbinsel Kola, mit Murmansk als Zentrum.

Und die haben Sie einfach so kennengelernt?

Unsere Tochter hatte sie auf einem Finno-ugristen-Kongress kennengelernt – und ihr auch von uns erzählt. Dadurch hatten wir schon einen Kontakt: Als wir dann nach Kola gereist sind, hat uns das sehr geholfen, Bekanntschaften zu knüpfen. Denn tatsächlich sind die Sámi oft eher zurückhaltend. Man muss da schon Menschen haben, die einem vertrauen.

Mit Ihrem Vortrag rufen Sie zur Rettung der Kultur der russischen Sámi auf – wodurch ist die denn bedroht?

Vor allem durch Enteignung: Die Sámi stehen dort gesellschaftlich auf der untersten Stufe, die Russen und die Tartaren besetzen alle wichtigen Posten in der Verwaltung und der Wirtschaft: Die Sámi sind die Ureinwohner dort, aber jetzt sind sie stark an den Rand gedrängt, genau wie die Komi, die sich im 19. Jahrhundert dort niedergelassen haben, ein anderes Rentiervolk.

Was heißt Rentiervolk?

Die leben vom Ren: Die haben Herden von 1.000 und mehr Tieren ...

Ach, die leben nicht in freier Wildbahn?

Nein, es gibt keine wilden Rentiere mehr. Wenn Sie in Skandinavien einem Rentier begegnen, dann ist das eigentlich immer in Privatbesitz.

Und was macht man damit?

Also das kann ich Ihnen sagen: Die schmecken lecker: Also das Fleisch wird gegessen, dann werden aus den Fellen Kleider gemacht – und sogar das Horn wird genutzt. Das geht nach Japan und China, wo es zerrieben als Potenzmittel verkauft wird.

In Ihrem Dia-Vortrag geht es auch ums Nordlicht ...?

Ich habe sehr viele Fotos vom Nordlicht gemacht: Die zeige ich in Überblendtechnik, im Hintergrund spielt dazu Folk-Musik und Gesänge eines russisch orthodoxen Chors, und ich erzähle sámische Märchen.

Haben Sie ein Lieblingsmärchen?

Das ist schwer. Es gibt so viele. Sehr schön ist das Märchen vom großen schwarzen Fuchs: Der streift in dunklen Nächten durchs arktische Hügelland, und wenn er mit seinem buschigen Schwanz eine Schneewehe trifft, dann sehen die Menschen das Glitzern am Himmel. Und das ist das Polarlicht.

interview:Zum ThemaBes

Dia-Vortrag : Lappland, 16.30 Uhr im OTE Saal

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