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Gabriel reicht Schwarzen Peter zurück

SPD Wie der SPD-Vorsitzende versucht, die alte Idee von den Transitzonen neu zu kontern

„Wenn es da keine Einigung gibt, dann gibt es eben keine Einigung“

SPD-Chef Gabriel über Transitzonen

BERLIN taz | Jürgen Dupper, der SPD-Oberbürgermeister von Passau, neigt nicht zu Dramatik. Das 50.000-Einwohner-Städtchen liegt an der deutsch-österreichische Grenze, Woche für Woche kommen dort gut 20.000 Flüchtlinge an. „Sehr sportlich“ nennt Dupper diese Situation lapidar. Mit Hilfe von Polizei und engagierter Ehrenamtlicher bekomme man das geregelt. Von Transitzonen, die die Union fordert, halte er nichts, fügt Dupper hinzu. „Ich kann mir kein Verfahren vorstellen, die uns nicht unhaltbare Zustände beschert.“

Natürlich war es perfektes Timing, dass Dupper an diesem Montag den SPD-Vorstand im Berliner Willy-Brandt-Haus besucht – genau wie viele SPD-Innenminister aus den Ländern. So konnte SPD-Chef Sigmar Gabriel seine erneute Absage an die Idee der Union gleich mit gelebter Alltagserfahrung unterfüttern. Denn Dupper hätte – falls die CSU ihren Vorschlag durchsetzt – eines dieser riesigen Flüchtlingslager vor der Stadtgrenze.

Der SPD-Vorsitzende mühte sich in einem minutenlangen Vortrag, die Uneinigkeit von CDU und CSU hervorzuheben. Die Debatte über Transitzonen sei „eine totale Scheindiskussion“, sagte Gabriel. Die Union weiche auf einen Nebenkriegsschauplatz aus, um ihren Streit zu verdecken und auf die SPD zu zeigen. Für diese These spricht, dass CDU und CSU es geschafft haben, den tiefen Konflikt zwischen Seehofer und Merkel vorläufig beizulegen. Statt weiter über eine Obergrenze fürs Asylrecht zu streiten, erklären die Unionsparteien nun Transitzonen zur wichtigste Maßnahme, um der Krise Herr zu werden.

Die SPD begegnet dem mit einer Doppelstrategie. Führende Sozialdemokraten, etwa Justizminister Heiko Maas oder Bundesvize Ralf Stegner, lobten gestern in Interviews den SPD-Gegenvorschlag von Einreisezentren. Jene lägen nicht an der Grenze wie die Transitzonen der Union, sondern sie wären dezentral über Deutschland verteilt. Außerdem lehnt die SPD die Inhaftierung von Flüchtlingen ab. Sie will Menschen mit sanftem Druck dazu bringen, sich in den Zentren zu melden – indem Leistungen gekürzt werden. „Massengefängnisse an der deutschen Grenze schaffen in der Praxis mehr Probleme als sie lösen“, schrieb Maas auf Facebook. Gleichzeitig gab sich Gabriel Mühe, das Problem klein zu reden.

In Transitzonen will die Union Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten beherbergen, etwa aus den Balkanstaaten. Jene machten aber nur 2,4 Prozent der ankommenden Flüchtlinge aus, sagte Gabriel. Stattdessen müsse man über die Herausforderungen reden, nämlich über den Großteil der Ankömmlinge aus Kriegsgebieten. Gabriel kritisierte, dass die Verfahren im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht schneller abliefen. Ebenso müsse der Bund endlich die zugesagten 40.000 Plätze für Erstaufnahmeeinrichtungen zur Verfügung stellen. Aber würde die SPD wegen der Zonen einen Deal platzen lassen? Wenn es keine Einigung gebe, dann gebe es eben keine Einigung, sagte der SPD-Chef. Eine Festlegung war das nicht. Ulrich Schulte

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