Rudolf Balmer über ein schwieriges Jubiläum: Pulverfass Banlieue
Zehn Jahre ist es her. Der Tod von zwei Jugendlichen in der Pariser Vorstadt-Siedlung Clichy-sous-Bois löste eine Revolte aus, die in der politischen Geschichtsschreibung unter dem banalisierenden Begriff „Banlieue-Unruhen“ vermerkt ist. Wochenlang entlud sich landesweit in den Vorortsquartieren die Wut über territoriale, soziale und rassistische Diskriminierung. Mehr als 10.000 Fahrzeuge und 300 Gebäude gingen in Flammen auf.
Zehn Jahre später sind Schlüsselworte wie Getto, Apartheid und Indianerreservat, mit denen die Ausgrenzung eines Teils der Bevölkerung beschrieben wird, immer noch kurrent. Geblieben sind auch die Zustände, obwohl der damalige Präsident Jacques Chirac damals einen „Marshall-Plan für die Banlieue“ in Aussicht stellte. Die heutige Staatsführung verweist auf zig Milliarden, die inzwischen investiert worden sind, und auf viele lokale Initiativen.
Trotzdem herrscht nicht viel Grund für Optimismus. Die anhaltende Wirtschaftskrise verschärft die Diskrepanz der Chancen bei Arbeits- oder Wohnungssuche. Die notorischen Probleme in der Banlieue spitzen sich wieder zu. Mehr denn je flüchtet sich die betroffene Jugend in Drogen, Religion und Gewalt; im Extremfall gar in den Dschihad. Noch immer kontrollieren die Polizeistreifen prioritär nach Aussehen und möglicher Herkunft, und dies oft mehrmals am Tag.
Die Banlieue bleibt somit ein Pulverfass. Die nächste Revolte kommt bestimmt. Die Polizei bereitet sich bereits darauf vor. So sollen die Beamten, die zu punktuellen Kampfeinsätzen in diese feindlich gesinnten Territorien geschickt werden, mit einer Kamera auf der Brust das Vorgehen filmen, damit ihnen nachher keine Vorwürfe gemacht werden können.
Das gutbürgerliche Frankreich wollte und konnte im Jahr 2005 nicht verstehen, was hinter der blindwütigen Gewalt steckte. Auch nach zehn Jahren ist da leider kein Fortschritt erkennbar.
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