: Wir sind die Generation Gesamtdeutschland. Und wir fangen einfach an
Unsere Unterschiede sind es, die uns vereinen. Wir wurden als Wende-, Migrations- oder Westkinder definiert, sind mit diesen Stereotypen aufgewachsen. Doch wir sind mehr als das. 25 Jahre nach der deutschen Einheit, verabschieden wir uns mit diesem Memorandum von dieser gelernten Definition.
Die Generation Gesamtdeutschland versteht sich nicht als einheitlich, um der Einigkeit willen. Wir wollen und brauchen konstruktive Uneinigkeit und inspirierende Unterschiede für die Gestaltung der Zukunft, denn daraus entstehen unserer Erfahrung nach die kreativsten Lösungen. Diese Kreationen und unsere Wirkungen bringen wir, anders als unsere Elterngeneration, miteinander auf Augenhöhe hervor. Diesem starken Wert verpflichten wir uns in all unserem zukünftigen persönlichen Handeln. Wir halten einander nicht aus, sondern gestalten gemeinsam. Unser Memorandum ist das Symbol dieser Selbstverpflichtung und möchte Vorbildcharakter und Einladung sein, sich dieser neuen Haltung anzuschließen. Wir fordern bewusst nicht von Dritten oder „der Politik”, sich gegebener Herausforderungen anzunehmen. Wir handeln selbst.
Dieses Memorandum ist das Produkt einer Gruppe von engagierten, jungen Menschen, die um die 30 bis 40 Jahre alt sind und mit pluralistischen Sozialisationen und Biografien in Deutschland leben. Wir nehmen nicht das Recht für uns in Anspruch, repräsentativ für die Gesamtheit unserer Generation zu sprechen – jedoch ist unsere Gruppe gesamtgesellschaftlich aktiv und vernetzt.
Mit unserem Reichtum an Erfahrungen, Werten und Expertise sind wir die erste gesamtdeutsche Nachwendegeneration und schätzen den Pluralismus unserer Biografien: die Transformationskompetenz der „Wendekinder”, die Debattenkultur der „Westkinder”, den Gemeinschaftssinn der „Migrationskinder”. Wir lassen uns voneinander inspirieren, gehen auf Augenhöhe miteinander um und erweitern uns dadurch selbst. In unserer Summe sind wir mehr.
Wir verabschieden uns mit diesem Memorandum von den künstlichen Grenzen zwischen uns und verstehen uns ab heute als eine Gesamtdeutsche Dritte Generation. Wir läuten hiermit den Paradigmenwechsel ein.
Wir werden die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nur bewältigen, wenn wir unsere kulturellen und regionalen Besonderheiten verbinden. Deshalb brauchen wir unsere heterogenen Erfahrungen und Kompetenzen. Als Gesamtdeutsche Generation haben wir einen offenen und pragmatischen Blick auf die Dinge, denn wir haben gelernt und erfahren, dass starre Leitlinien – und seien sie noch so gut gemeint – oft nichts taugen. Wir werden uns als Gesamtdeutsche Generation einmischen, Selbstverständliches anzweifeln und Antworten auch auf den Feldern suchen, die für unsere Eltern verbrannt erscheinen. Als meinungsfreudige Entscheiderinnen und Entscheider der Zukunft haben wir unseren konkreten gesamtgesellschaftlichen Beitrag formuliert:
1. Wir engagieren uns dauerhaft für die Welt, in der wir leben möchten, aber wir wechseln die Orte, Themen und die Taktung unseres Wirkens.
2. Europa ist unsere Heimat. Die Welt ist unser Denk- und Wirkungsraum.
3. Unsere Teilhabe im digitalen Raum ist gleichwertig zu konventionellen Beteiligungsformen.
4. Wenn wir Chancen vergeben können, dann streben wir danach, sie gerecht zu verteilen. Wir wollen Benachteiligungen, die durch die zufällige Zuteilung natürlicher und sozialer Güter entstehen, berücksichtigen und ausgleichen.
5. Wir haben uns auf unserem Weg von Stereotypen emanzipiert und gelernte falsche Klischees überwunden.
6. Wir fangen einfach an.
Dr. Constanze Adolf, Dr. Katrin Cholotta, Aleksandra Hoffmann, Jeannette Gusko, Kübra Gümüşay, Michael Knoll, Van Bo Le Mentzel, Adriana Lettrari, Tilmann Löser, Torsten Menzel, Göran Nitsche, Enno Ommen, Hagen Pietzcker, Aleksandra Rhomberg, René Sadowski, Natascha Salehi-Shahnian, Chantal-Fleur Sandjon, Christian Schüle, Linn Selle, René Sternberg, Dr. Moritz Trebeljahr
Der Aufruf kann online mit unterzeichnet werden. Link auf taz.de
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