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Deutschland macht viel Wind

Strom 2015 ist schon jetzt ein Rekordjahr: Nie zuvor wurde so viel Strom exportiert, besonders auch dank der erneuerbaren Energien

Zugleich aber laufen die Kohlekraftwerke im Land weiter, als sei nichts geschehen

FREIBURG taz | Deutschland steuert in diesem Jahr auf einen Stromexportüberschuss zu, der alle bisherigen Höchstwerte nochmals deutlich übertrifft. Bereits in diesen Tagen überschreitet das Jahr 2015 den historischen Rekordwert des Jahres 2014, der bei 35,6 Milliarden Kilowattstunden lag. Damit könnte bis zum Jahresende ein Exportüberschuss von rund 50 Milliarden Kilowattstunden auflaufen, das entspricht mehr als 8 Prozent des deutschen Stromverbrauchs.

Auslöser dieser Stromschwemme sind die erneuerbaren Energien, in diesem Jahr vor allem die Windkraft. Zum einen waren die Windverhältnisse in diesem Jahr in Deutschland bislang recht gut, zum anderen werden aktuell in atemberaubendem Tempo neue Anlagen errichtet, auch in der deutschen See. So überschritt die Stromerzeugung aus Windkraft bereits Ende September den Saldo aus dem Gesamtjahr 2014, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft mitteilte: Die Bilanz des Vorjahres lag bei 57,4 Milliarden Kilowattstunden, bis Ende September 2015 wurden bereits 59 Milliarden erzeugt. Der auf See erzeugte Anteil stieg von 1,4 auf 4,6 Milliarden Kilowattstunden.

Bezogen auf alle erneuerbaren Energien lag die Stromerzeugung in den ersten drei Quartalen 2015 um fast 20 Prozent über dem Wert des Vorjahreszeitraums. Erstmals werden die Erneuerbaren in diesem Jahr vermutlich mehr als 30 Prozent des deutschen Stromverbrauchs decken.

Zugleich aber laufen die Kohlekraftwerke im Land weiter, als sei nichts geschehen. Die Strom­erzeugung aus Stein- wie aus Braunkohle liegt aktuell etwa auf dem Niveau des Vorjahres; die Anlagen erzeugen folglich Strom, der im Inland nicht mehr abgesetzt werden kann. Rein rechnerisch fließt bereits die Hälfte des Stroms aus Steinkohle oder ein Drittel des Stroms aus Braunkohle ins Ausland. Doch das dürfte sich in den kommenden Jahren ändern: Bei der Bundesnetzagentur liegen inzwischen Anträge zur Stilllegung von 57 Kraftwerksblöcken vor, allein im Sommer kamen 16 Blöcke hinzu.

Dass der Bestand an Grundlastkraftwerken den Bedarf derzeit massiv überschreitet, dokumentiert auch der Strommarkt: Der seit Jahren anhaltende Preisverfall beim Grundlaststrom ging auch in den vergangenen Monaten weiter; inzwischen wird die Megawattstunde am Terminmarkt für weniger als 29 Euro gehandelt – ein für viele fossile Kraftwerke auf Dauer ruinös niedriger Wert. Vor fünf Jahren konnten Stromerzeuger am Markt noch doppelt so viel erlösen. Bernward Janzing